Von Matthias Bosenick (27.03.2018)
Die Simple Minds radiopoprocken sich im Selbstzitat durch ihren eigenen früheren Sound, allerdings nicht den der experimentellen Frühachtziger-Wave-Sachen, sondern ab kurz danach bis kurz zuletzt. Heißt: Gemütliche Synthies und nette Gitarren begleiten im Tanzrhythmus beliebige Melodien, mit denen sie den Hörer einlullen und zufrieden machen. Eigentlich ist „Walk Between Worlds“ nicht besonders herausragend, aber man behält es nach jedem Durchgang positiv gestimmt und als recht gelungen im Kopfe. Das hat ja auch eine Qualität.
Es dauert eine Weile, bis sich auf diesem Album die Ohrfänger herausarbeiten. Zunächst startet es einfach mal überhaupt und ohne wehzutun. Das lässt die Stirn etwas runzeln, aber nach einer Weile nimmt die Band einiges an Fahrt auf. Die Musik ist weich, entspricht also weder dem Bild, das man von einer Rockband hat, noch dem eines Synthie-Wave-Projektes, und doch beanspruchen die Schotten Anteile von beidem für sich. Stattdessen brauen sie eine wattierte Melange daraus. Was zunächst womöglich verärgert, steigert sich alsbald vortrefflich und einnehmend.
Das mag daran liegen, dass einem diverse Sounds, Strukturen und Melodien vertraut vorkommen. Kein Wunder: Viele Songs existieren bereits länger, als Skizzen zumeist, und einer sogar seit über 20 Jahren: „Barrowland Star“ ist die Neueinspielung des Instrumentals „Celtic String“, zu finden auf der Single „She’s A River“ aus dem Jahr 1995; der euphorisch-rockige Anstrich des dazugehörigen Albums „Good News From The Next World“ schlägt sich auch hier nieder. „Sense Of Discovery“ klaut recht ungeniert den stadionerprobten Mitgrölrefrain von „Alive And Kicking“, und erstaunlicherweise geht das in Ordnung. Die Band schleppte viele der weiteren Tracks schon als Demos mit sich herum, einige davon sogar für Jim Kerrs Soloprojekt Lostboy!. Hier finden sie einen homogenen Anstrich und damit angemessen zusammen: Die Keyboards und die Gitarren verbinden sich zu einem gemeinsamen Sound, den gegen Mitte einige Streicher erweitern.
Aufregend indes ist das Ganze nicht, das aber trotzdem so sympathisch, dass es auch kein Grund zum Aufregen ist. Wenn die Deluxe-Version (auf CD und LP erhältlich) dann mit einer alkoholfreien Version von „Dirty Old Town“ schließt, hat man das angenehme Gefühl, mit dem Hören eine schöne Zeit verbracht zu haben. Dennoch liebt man die Simple Minds natürlich für ganz andere Sachen. Selbst das Vorgängeralbum „Big Music“ klang fetter und war discotauglicher, dafür gab’s dann aber auch schon erheblich langweilige Alben im Oeuvre der Band. Zwar ziehen die Simple Minds ihre unterkühlten, experimentellen Alben aus der ganz frühen Phase als Referenz für „Walk Between Worlds“ heran, aber da überschätzen sie sich: Das Ungestüm haben sie längst herauswachsen lassen, sie sollten nicht versuchen, wie auch sonst niemand, im Erwachsenenalter die Gefühlslage ihres juvenilen Ichs zu recyclen, sondern es lieber in der Weiterentwicklung charakterstark ausprägen.
Bandchef Jim Kerr und Gitarrist Charlie Burchill sind hier als einzige vertreten, die auch schon 1977 an der Bandgründung beteiligt waren. Stark mit den Simple Minds assoziiert ist der frühere Samson-Schlagzeuger Mel Gaynor, der hier allerdings nur als Gast vertreten ist, weil er 2017 erneut ausstieg. Fester Bassist ist seit acht Jahren Ged Grimes, ehemals bei Danny Wilson. Auch Gitarrist Gordon Goudie steht den Simple Minds seit längerem zur Verfügung und entstammt einer anderen populären Band, Echo & The Bunnymen nämlich. Gelegenheitskeyboarder Peter-John Vettese war ebenfalls bereits bei den Simple Minds tätig, um 1991, davor bei Jethro Tull und danach bei den Bee Gees. Sarah „Gorgeous“ Brown übernimmt die seit Stadionrockzeiten mitgenommene zweite Gospel-Stimme, im Wechsel mit Catherine AD alias The Anchoress sowie weiteren zahllosen Backingvocalisten. Der Reigen der Mitwirkenden ist damit noch nicht auserzählt.
Man sollte auf jeden Fall zusehen, dass man die Deluxe-Version mit den drei Bonus-Tracks erwischt, ansonsten ist das Album nach viel zu kurzer Zeit vorüber. Außerdem macht der kommende Rest nach dem Haupt-Album eben auch noch Spaß und stört den Fluss des Albums nicht, wirkt also nicht wie Resteessen. Kein Blumentopf, aber auch keine Goldene Himbeere.