Von Matthias Bosenick (08.10.2021)
Das machen Kulturgesichter in der Pandemie-Quarantäne: exklusive Konzerte streamen, sich für jeden Song einen anderen Gast aus dessen Home Office dazuschalten und davon 15 Tracks als Live-Album herausbringen. Da ist es scheißegal, dass der Sound von „SepulQuarta“ nicht durchgehend lecker ist – die Mucke ist es, Sepultura haben Bock, die Gäste aus allen Spielarten des Metal ebenso. Moshen statt jammern!
Das Spannendste an dieser Sammlung ist wohl, dass Derrick Green hier nicht nur die Songs aus seiner eigenen Zeit mit Sepultura growlt, sondern auch jene, mit denen sich sein Vorgänger Max Cavalera in die Herzen der Metalheads grunzte. Die Band dazu belegt leichtfüßig, dass sie nach wie vor zu den Schwergewichten der Szene gehört: Das Schlagzeug ist percussiv und treibend, die Gitarren sind gewohnt tief gestimmt und mit Sandpapier bearbeitet, dem besonders groben, wo sie nicht in Soli tirilieren, und der Bass steht dem Gemoste zweckdienlich verzerrt zur Seite.
Interessant ist an dieser Auswahl außer dem Zuvorgenannten eine weitere Menge: Sepultura legen weder Wert auf Genreengstirnigkeit noch auf Weltruhm, hier kommen Freunde zum Zug. Mit Brasilianischen Schlagzeugkumpels verleihen Sepultura ihrem Indie-Hit „Ratamahatta“ neue mitreißende Percussion-Zwischenspiele, nahe an „In-A-Gadda-Da-Vida“. Und in „Phantom Self“ schwingen sie die Streicher, als wären sie in Tausend und einer Nacht unterwegs; auch die Flamencogitarre in „Kaiowas“ zeigt die schön breite Palette der Thrasher. Und zuletzt covern sie mit Phil Campbell den Motörhead-Hit „Orgasmatron“ und negieren einen Lemmy, der sich stets dagegen verwehrte, dem Metal zuzugehören. Und sie lassen Frauen ans Mikro, was insbesondere bei „Fear, Pain, Chaos, Suffering“ wie schon im Original einen geilen Kontrast bildet zwischen dem brutzelnden Doom und der klaren Stimme von Emmily Barretto. Solche Metal-Freunde sind Gold wert!
Nur der Sound ist bisweilen etwas pappig, es fehlt hie und da an Volumen, manchmal wechselt die Lautstärke zwischen den Stücken, aber hey, wenn man sich schon zu Hause hinsetzt und so einen brutal schleppenden Metal einprügelt, weil es eine Pandemie nicht anders zulässt, dann steckt man das eben als das bestmögliche Ergebnis weg und freut sich über die Platte. Dafür hört man die Instrumente eben umso eindeutiger heraus, was auch deshalb nicht verkehrt ist, weil man nicht nur belegt bekommt, dass die Thrash-Veteranen längst so einiges an Fähigkeiten dazugelernt haben, sondern weil so auch die Gäste gut zur Geltung kommen.
15 Songs, noch mehr Gäste: Los geht es mit David Ellefson, Gründungsbassist von Megadeth. Es folgen: Scott Ian (Gitarrist bei Anthrax und S.O.D.), Danko Jones (Sänger der gleichnamigen Band), Phil Rind (Bassist einst bei Flotsam And Jetsam, jetzt bei Sacred Reich), die Sängerinnen Angelica Burns, Fernanda Lira und Mayara Puertas (jeweils: Hateful Murder, Crypta sowie Torture Squad), Sänger und Gitarrist Devin Townsend (Strapping Young Lad und viele mehr), Sängerin, Keyboarderin und Schlagzeugerin Emmily Barretto (Far From Alaska, Coffee Crush), Gitarrist Alex Skolnik (Testament), Sänger und Gitarrist Matt Heafy (Trivium), die Schlagzeuger Charles Gavin und João Barone (Primavera Nos Dentes sowie Os Paralamas Do Sucesso), Sänger und Gitarrist Rob Cavestany (Death Angel), Gitarrist Mark Holcomb (Periphery), Frédéric Leclercq und Marcello Pompeu (Dragonforce sowie Korzus), Gitarrist Rafael Bittencourt (Angra) und Motörhead-Gitarrist Phil Campbell.
Eine geile, dabei nicht mal kreative Möglichkeit, mit der Pandemie und der Quarantäne umzugehen. Das machten Sepultura nicht als einzige so, gottlob, und es ist nicht genug zu würdigen, dass aus dieser Richtung kein Jammern zu vernehmen war. So ist „SepulQuarta“ ein schönes Dokument der Selbsthilfe in schweren Zeiten und ein weiterer Beleg dafür, dass Sepultura an Relevanz nie verloren.
Die Songs:
01 Territory (David Ellefson) (von „Chaos A.D.“, 1993)
02 Cut-Throat (Scott Ian) (von „Roots“, 1996)
03 Sepulnation (Danko Jones) (von „Nation“, 2001)
04 Inner Self (Phil Rind) (von „Beneath The Remains“, 1989)
05 Hatred Aside (Angelica Burns, Fernanda Lira, Mayara Puertas) (von „Against“, 1998)
06 Mask (Devin Townsend) (von „Kairos“, 2011)
07 Fear, Pain, Chaos, Suffering (Emmily Barreto) (von „Quadra“, 2020)
08 Vandals Nest (Alex Skolnick) (von „Machine Messiah“, 2017)
09 Slave New World (Matt Heafy) (von „Chaos A.D.“, 1993)
10 Ratamahatta (Charles Gavin, João Barone) (von „Roots“, 1996)
11 Apes Of God (Rob Cavestany) (von „Roorback“, 2003)
12 Phantom Self (Mark Holcomb) (von „Machine Messiah“, 2017)
13 Slaves Of Pain (Frédéric Leclercq, Marcello Pompeu) (von „Beneath The Remains“, 1989)
14 Kaiowas (Rafael Bittencourt) (von „Chaos A.D.“, 1993)
15 Orgasmatron (Phil Campbell) (von Motörhead, „Orgasmatron“, 1986; bzw. von „Under Siege (Regnum Irae)“, Single 1991)