Von Matthias Bosenick (12.12.2024)
Der vierte Teil einer Trilogie, auf solcherlei Paradoxien verstehen sich Briten ja, und wie Douglas Adams verbringt auch das Trio Sendelica auf „Requiem For Mankind“ einen großen Teil seiner Spielzeit im All. Aber nicht vollständig, dieses Doppel-Vinyl mit vier extralangen instrumentalen Tracks wechselt so manches Mal die Richtung, wenn auch dem Genre angemessen gemächlich: Ambient, Gniedel-Prog, Space-Dub, Neo-Klassik, Doom-Metal, Filmscore – und über allem liegt ganz viel Hall. Setzt man sich mit den Themen auseinander, die die Waliser beschäftigen, auch ohne darüber zu singen, gibt die Menschheit kein besonders gutes Bild ab. Dieser Soundtrack zum Weltuntergang fällt umso besser aus.
Auch wenn Sendelica strukturell vier Einzeltracks auf vier LP-Seiten verteilen, könnte man die Tracks jeweils auch noch einmal mit separierten Indizes versehen; die meisten haben einen unerwarteten Bruch in der Mitte, der sich auch anhand des Spiegelstrichs im Titel erahnen lässt. Von den 23 Minuten des ersten Tracks „Cosmic Slop (In The Beginning) – Let There Be Light“ besteht die erste Hälfte aus Ambient mit einem Bisschen Saxophon, der abrupt in einen langsamen, von der ganzen Band dargebrachten Gniedel-Space-Prog übergeht. Progressiv heißt hier nicht verschachtelt, sondern episch: Die Gitarre brummt mit ganz viel Hall, es klingt, als riefen in der Ferne irgendwelche gigantischen Tiere, Saurier etwa oder Wale. Der Bass dazu klingt nach Metall, das Schlagzeug wirbelt aufgeregt.
Mit einer Art Siebziger-Kraftwerk-Monotonie beginnt „Let There Be Life – Requiem For The Planet“, wird alsbald zu einem trippig-tanzbaren Space-Dub, handgespielt wie bei Automat, nur zusätzlich mit psychedelischen Gitarrensounds darüber. Nach dem Bruch wird der Track zu einer Piano-Ambient-Ballade mit textlosem Frauengesang. Das Stück verstört allmählich leicht mit seinen Soundscapes, trotz melodiöser Elemente wirkt es, als habe es so abstrakte Harmonien wie die stilleren Stücke von Future Sound Of London. Das Piano weicht der Akustikgitarre, und wieder bekommt der Onkel Bürgermeister seinen gewünschten Halllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll.
Das einzige Stück ohne Bruch geht fließend aus dem Vorgänger hervor, entwickelt sich dann aber ganz anders: „The Downfall“ startet mit Streichern und Orgeln und wird dann zu einem Gothic-Doom-Metal. Ja. In der Tat. Schwer, mächtig, riffig, geil. Ein repetitiv verschleppt geloopter Unterbau trägt ein tonnenschweres Solo, Black Sabbath nicken dazu anerkennend. Sobald plötzlich ein Saxophon das Solo übernimmt, denkt man an Mope aus Genua, die der Welt noch immer ein zweites Album schuldig sind. À propos Ligurien: Einige der unzählbaren Sendelica-Alben brachte Davide Pansolin aus Savona auf seinem Label Vincebus Eruptum heraus. Das nur nebenbei, hier übernimmt derweil ein Gitarrengniedeln wieder das Solo-Ruder und die ganze Musik verwischt zu einem Rausch. Über den legt sich bald ein spookiger Chor, der die Rückkehr zum Doom einleitet – abermals mit Saxophon –, der indes wie zu Beginn des Stückes der Orgel den Platz räumt.
Bleibt „Chaos – Requiem For Mankind“: Zum Auftakt bereitet ein Electro-Space der Band den Weg, die das Spacige einfach beibehält, bis eine Mark-Knopfler-Gitarre mit Hall drauf übernimmt. Sobald das Schlagzeug einen energetischen Kopfnicker-Beat hervorwirbelt, wird die Gitarre bratzig. Bis zum Break: Mit Klavier und Streichern generiertes Ambient wird zu einer Art Filmscore, der sich zu einem dramatischen, mächtigen Drone steigert. Das Ende der Menschheit, und es ist nicht mal schlimm drum. Denn es gibt Hoffnung: Wie bei dem Titelstück des Albums „Outside The Gate“ von Killing Joke folgt auf den Untergang ein fragiles neues Erwachen, hier mit einer Akustikgitarre, die nach einer Harfe klingt. Hoffentlich geht dieses Mal alles gut.
Eine runde Sache, dieser vierte Teil der Trilogie. Die begann 2021 mit „And Man Created God“, setzte sich 2022 mit „One Man’s Man …“ fort und sollte eigentlich 2023 mit „Man, Myth & Magic“ zum Abschluss kommen. Doch stellten Pete Bingham (Gitarren und Synthies), Colin Consterdine (Beats und Synthies) und Glenda Pescado (Bass) im unruhigen Schlaf fest, dass sie das Ende der Geschichte noch nicht auserzählt hatten, und kreierten „Requiem For Mankind“. Das es in limitierter Fassung auch noch mit Bonus-Tracks gibt, die aus Outtakes und Remixen bestehen; da hatten sie offenbar noch einiges schweigend mitzuteilen. Als Gäste beteiligt waren hier der finnische Thrash-Doom-Psychedeliker Santtu Laakso als Keyboarder im Abschnitt „Chaos“ sowie in „Requiem For The Planet“ die nicht weiter benannte Sängerin Calli.
Wer jetzt staunt, dass das Trio diese opulente Quadilogie mit je einem Album pro Jahr vervollständigte, dem sei mitgeteilt, dass Sendelica seit 2005 mehr Alben veröffentlichten, als menschlicher Geist erfassen kann. Viel Spaß beim Sammeln!