Seims – V – Bird’s Robe Records 2025

Von Matthias Bosenick (16.10.2025)

Der Titel „V“ lässt ahnen, um das wievielte Album des riesigen Ensembles Seims es sich handelt: Das sechste ist es, klar. Nicht ganz korrekt, aber später dazu mehr. Kern dieses Projektes aus Sydney ist Simeon Bartholomew, dessen musikalischen Visionen Post Rock, Klassik, härtere Gitarrenmusik und mehr umfassen – was er auf „V“ von sehr vielen Leuten umsetzen lässt, und das auch noch schlüssig. Arme auf für diese opulente, vorwiegend instrumentale Musik.

Dies ist mal wieder eine Musik, die so komplex komponiert ist, dass man die Indizes zwischen den neun Tracks kaum wahrnimmt, da diese Tracks in sich schon so vielfältig sind. Da findet sich auch nur schwer ein Anfang – was ist die Basis hier? Möglicherweise Rockmusik, sagen wir mal. Denn Bartholomew selbst klebt das Etikett Math Rock an seine Band, neben Post Rock und Cinematic. Er traut sich wohl nicht, Prog Rock zu sagen, was bei Musik solcher Struktur ansonsten als Schlagwort schnell fällt; die Jugend braucht Mathe, nicht Progressivität. Rock also: Ja, Gitarre, Bass, Schlagzeug, alles drin, aber so einfach ist das hier nicht.

Es gibt durchaus härtere Passagen, die man mit Rock ganz gut klassifiziert bekommt. Doch lassen sich die genannten Instrumente ja auch anders einsetzen, eher akustisch, eher sphärisch-flächig, eher poppig, und all dies erfolgt hier auch. Doch das ist nicht alles: Synthies, Piano, Geigen Violas, Cellos, Kontrabässe, Trompete, Flügelhorn, Tuba und Susaphon sind noch aufgeführt, und mit all diesen Instrumenten erfüllen Seims eben den Cinematic-Anteil ihrer Selbstbeschreibung. Doch selbst dabei bleibt es nicht, denn willkürlich reihen die Musizierenden diese Anteile nicht aneinander. Ganz abgesehen davon, dass sie mehr aus diesen Elementen machen. Denn man kann diese Nicht-Rock-Instrumente ja nicht nur in der Klassik einsetzen, sondern beispielsweise im Jazz.

Nun mixen Seims aber das Ganze nicht wild durcheinander – sie fügen es in einen sinnvollen, gar warmen Ablauf, mit aus sich selbst heraus schlüssigen Abfolgen, die all die genannten Komponenten berücksichtigen und sie nicht einfach nach Baukasten aneinanderreihen, vielmehr miteinander verflechten, auseinander herausfließen, sich beinahe unbemerkt entwickeln lassen, auf eine Weise, über die man staunt, sobald man ihrer gewahr wird. „V“ endet entspannend als Pianoballade, das erwartet man ebenfalls nicht.

Um ein Album wie dieses auf die Beine gestemmt zu bekommen, braucht es mehr als einen Multiinstrumentalisten. Daher gruppierte Bartholomew eine Menge Leute um sich: Schlagzeuger Chris Allison (Plini), Sam Sheumack (Fangz) an der Slide-Guitar, Mark Owen (We Lost The Sea) an der Gitarre, Nataliya Lukich an der Geige, Monique Turner an Violas, Peter Hollo (Tangents, FourPlay) an Cellos, Tom Botting (Scoredatura) an Kontrabässen, Paul Murchison mit Trompete und Flügelhorn sowie Luke Bartley mit Tuba und Susaphon. Mal ganz abgesehen von vielen prominenten Fachleuten in der Technik.

Zur Nummerierung: Natürlich ist „V“ das fünfte Album, aber Seims veröffentlichten ihr 2017er Album „3“ drei (!) Jahre später erweitert neu als „3+3.1“, also quasi als viertes Album. Erst im Jahr darauf erschien „Four“, der – klar – Vorgänger zu „V“. Das selbstbetitelte Debüt erschien bereits 2012, Seims sind also auch schon was länger unterwegs.