Sehnsucht in Sangerhausen – Julian Radlmaier – D 2025

Von Matthias Bosenick (17.11.2025)

Ausnehmend spröde und gekünstelt, fast amateurhaft wie aufgesagt startet der Episodenfilm „Sehnsucht in Sangerhausen“, in dem Regisseur Julian Radlmaier diverse Frauen die titelgebende Emotion am titelgebenden Ort haben lässt. Beinahe aufdringlich baut er Wiederholungen ein, die auf einen finalen Zirkelschluss hindeuten, und sobald der wahrhaftig eintritt, ist man mit dem Film bereits mehr als versöhnt. Ein wenig Roy Andersson schwingt mit, wenn sich aus der zunächst eher funktionalen Erzählung die glaubhaften Gefühle herausbilden. Der Film lief beim Braunschweig International Film Festival.

Zu Zeiten des Dichters Novalis spielt die erste Episode, in der eine Frau mit einem Fremden nach Frankreich zu fliehen gedenkt, der gestohlenen Pferde wegen verfolgt wird und sich in einer Höhle zu verstecken versucht. Die zweite Episode setzt in der Gegenwart an, man begleitet eine verheiratete Frau mit mehreren Kleinjobs, die sich am Leben langweilt und eine diffuse Zuneigung zu einer Berliner Klassik-Musikerin verspürt. Die dritte Episode behandelt zwei Frauen aus dem Iran, die einander in Sangerhausen zufällig wiederfinden, und die vierte – darauf wartet man die ganze Zeit – bündelt alle drei Handlungsstränge, indes auf unvorhersehbare Weise.

Die gekünstelte Sprechweise der ersten Episode führt man noch auf die Zeit zurück, in der sie stattfindet, und dazu passt sie auch. Emotionen indes vermittelt sie nicht, alles wirkt eher sachlich, wenn auch rational nachvollziehbar. Irritierenderweise setzt sich dieses Gekünstelte in der zweiten Episode fort, wenn auch mit heutigem Sprachgebrauch, aber wie einstudiert, nicht authentisch. Die Szenerie wirkt wie Amateurtheater, inklusive – dazu scheint sich der Regisseur angesichts des Handlungsortes verpflichtet zu fühlen – der abgebildeten Alltagsrassismen. So richtig natürlich und flüssig kommunizieren erst die Iranerinnen, deren Gespräche im Original belassen sind. Ihnen nimmt man das Miteinander ab, während ihre Begegnungen mit Einheimischen weiterhin spröde bleiben. Erst der vierte Teil mit dem mongolischen Fremdenführer und dessen illegal eingewanderten Halb-Enkel bringt die losen Erzählfäden zusammen – man ahnt, wie, und doch kommt diese Zuspitzung wie eine wohlige Erlösung daher.

Einsamkeit ist zentrale Emotion hier, die Suche nach Zuneigung und Liebe resultiert daraus. Die Ausgangslage ist für alle der gezeigten Figuren eine andere: Die erste ist Dienstmagd, die zweite Billiglöhnerin, die dritte als lediglich geduldete Asylantin eine Reise-Influencerin und der vierte ist ein vor den Russen geflüchteter Mongole. Ihre jeweils ureigene Motivation, sich im Leben einzubringen, bündelt sich bei einer – erfolgreichen – Geisterjagd zu etwas, was alle verbindet und jede Eigenschaft zu etwas Ganzen zusammenführt. Bis dahin hat man längst all die spröden Figuren ins Herz geschlossen.

Zunächst erscheint es durchschaubar und nervig, dass Radlmaier fortwährend wiederkehrende Elemente in die Episoden einbaut. So ein Holzhammer tut einfach weh, wenn man Subtilität gewohnt ist. Doch wie mit den unzugänglichen Figuren findet man auch zu diesen Wiederholungen einen Zugang und freut sich, sobald sie wieder eintreten. Dabei fällt nämlich auf, welche Elemente keine Auffrischung erfahren, und freut sich auch darüber, denn diese – die Cellistin aus der zweiten Episode etwa – würden den Fluss unterbrechen.

Zwar legt der Film auch einen Schwerpunkt auf den Tourismus, indem er die „Berg- und Rosenstadt“ Sangerhausen, das vielen jenseits des Harzes eher unbekannt sein dürfte, in allen spärlichen Fassetten darstellt, dem pyramidalen Abraumhügel etwa, der aus allen Blickwinkeln sein Erscheinungsbild ändert, wie es heißt, das nahegelegene Kyffhäuser-Monument und die Barbarossa-Höhle, die weltgrößte Rosensammlung. Mit der bisweilen offen gelebten Fremdenfeindlichkeit indes empfiehlt sich Sangerhausen eher weniger als Reiseziel. Erstaunlich ist, dass dieser Film als Komödie gehandelt wird, denn so viel zu lachen gibt es eigentlich nicht, da auch die eingebauten Gags so spröde sind, dass man die auf die Brust gesetzte Pistole mit dem Lachbefehl vielmehr abwehren möchte. Dafür ist die Grundstimmung zu deprimierend, was sich erst im Verlauf der dritten Episode ändert. Und doch freundet man sich mit dem Film und seinem Ensemble an und freut sich, sich die Zeit dafür genommen zu haben.