Von Matthias Bosenick (19.02.2024)
Unendliche Weiten … im Meer: „Lost In Kelp Forest“ ist ein Konzeptalbum, das unter Wasser angesiedelt ist. Dafür stockte das Duo Schubmodul aus Bochum seine Belegschaft sogar eigens zum Trio auf. Zu Hören gibt es treibenden Indie-Rock, dem eine Zuneigung zu Stoner, Grunge, Psychedelik oder Postrock nicht abzusprechen ist. Der Clou beim Schubmodul ist indes, dass sie komplett ohne Gesang auskommen. Ob man sich in der submarinen Thematik jetzt musikalisch wiederfindet oder nicht, ist dabei unerheblich: Tauchmusik stellt man sich zwar schon irgendwie anders vor, aber das ändert nichts an der vielseitigen Qualität von „Lost In Kelp Forest“.
Es ist ja so, dass man sich beim Hören psychedelischer Rockmusik leicht ins All katapultiert wähnt; das geschieht automatisch, entweder aus den Kompositionen heraus oder aus der Hörerfahrung. Aber welche Art Rockmusik mag man unter Wasser hören? Die Vorstellungen von Fortbewegung oder Aufenthalt unterscheiden sich schon reichlich: Im All gibt es keinen Widerstand, im Wasser ist er erheblich. Müsste die submarine Musik dann nicht auch stark gebremst sein? Oder genau andersherum, explizit unter Volllast vorgebracht, weil die nötig ist, um voranzukommen? Schubmodul entscheiden sich für die zweite Variante und legen alle Kraft in ihre Stücke.
Dabei bedeutet Kraft bekanntlich nicht zwingend höchstes Tempo, das ziehen die drei Bochumer nur selten an. Ihre Kraft liegt in der Instrumentierung und der Komposition. Zwar ist ihnen ihr Genre seit Anbeginn von Rock’n’Roll über Classic Rock bis Laut-Leise-Dynamik-Rock hinlänglich bekannt, was man hört, weil einige Strukturen darauf fußen, etwa klassische Riffs, Achtelbässe, Breaks und Neustarts, Energiesteigerungen, doch sind das – und da bleiben wir mal maritim – lediglich Anker, an denen man sich als Neuhörer festhaken kann, um mit ihnen in ihre eigene Rockwelt abzutauchen. Da schieben sie nämlich heavy Stoner-Riffs ein, reduzieren die Intensität auf Post-Rock-Ambient, gniedeln ein vergnügliches Solo, rocken eine Mithüpf-Passage hinein, überrumpeln mit halsbrecherischen Breaks oder erspinnen wunderschöne Melodien und generieren damit ein Gemisch, das das Spektrum des Vertrauten mit dem Unerwarteten erweitert. Man wird ständig überrascht, aber kein Wunder, man kann unter Wasser ja eh nicht so weit vorausgucken.
Der Titel erstaunt übrigens, nach dem Debüt „Modul I“ war doch mit etwas anderem zu rechnen, und das bestätigt ja nur die Unberechenbarkeit der Trios. Das ja zu Beginn gar keins war, überhaupt erst vor drei Jahren traten Schubmodul noch als Duo auf den Plan. Die Besetzung: Fabian Franke spielt Gitarre, Neuzugang Nils Stecker den Bass und „Shorty“ Christoph Kellner das Schlagzeug. Kein Gesang, bis auf die eingebetteten Sprachsamples, und der fehlt hier auch keinen Moment lang. Unter Wasser kann man eh nicht singen. Im All auch nicht, und dort waren Schubmodul im Zuge ihrer ersten Reise.