Schneider Collaborations – Drei Alben – Schneider Collaborations 2025

Von Matthias Bosenick (16.04.2025)

Bei den zwei jüngsten Veröffentlichungen aus dem Hause Schneider Collaborations, dem Label des Schlagzeugers Jörg A. Schneider, handelt es sich um feste Kollaborationsprojekte, die mit zusätzlichen Kollaborateueren neue Horizonte ansteuern. Mit dem in Chicago ansässigen Duo Drazek Fuscaldo kooperiert Schneiders Band Glimmen aus Wisconsin, auf dem so entstandenen Impro-Free-Jazz-Album „Drazek Fuscaldo Glimmen“ ist – neu in diesem Kontext – Gesang zu hören. Was eigentlich ein neues Album für das berliner-niederrheinische Duo Teen Prime werden sollte, ergänzte sich mit Yvonne Nußbaums Klavier zum Trio mit dem Namen Let’s Just Werewolf Them und einem gleichnamigen Impro-Album. Und mit dem französischen Impro-Gitarristen Michel Kristof lässt Schneider wissen: „This Ain’t My First Rodeo, Pal!“

Drazek Fuscaldo Glimmen – Drazek Fuscaldo Glimmen – Soutrane Recording Company 2025

Der Gesang lässt als erstes aufhorchen, schließlich beteuerte Schneider einmal, dass er nach seinen Erfahrungen als Bandschlagzeuger den Schwerpunkt auf rein instrumentale Musikschaffende legt. Was die Stimme hier vorträgt, klingt schamanisch, sakral, afrikanisch, mithin so hypnotisch wie die Musik dazu. Die drei Stücke auf dem Album lassen den Free Jazz der frühen Tage durchschimmern, wie man ihn von Miles Davis oder John Coltrane zu lieben lernte, was wohl vornehmlich am Einsatz von Trompete und Saxophon liegen mag. Die Musik dazu, mit Kontrabass, Vibraphon, Gitarre, Mandoline und eben Schlagzeug, lässt natürlich ebenso die Idee von Jazz zu. So weit, so vertraut – doch spielen die sechs an diesen Aufnahmen beteiligten Musiker selbst an Free-Jazz-Schemata gemessen noch freier, denn selbst der Free Jazz hatte zumeist einen eindeutigen Takt, wenn schon eher freie Melodien. Dieses Album klingt also eher so, als habe man die einzelnen Musiker leicht zueinander verschoben, als sei jeder auf einem eigenen Grundstück verwurzelt und triebe dort eigene Sprösse aus, und wie es der Weltengeist so will, harmonieren diese Pflanzen für diese Konstellation unerwartet wunderbar miteinander.

Das liegt vor allem daran, dass keiner der sechs Musiker übertreibt, dass sich keiner in den Vordergrund drängt, dass niemand exzessiv oder intensiv ausbricht, dass alle vorsichtig und fragil ihre Instrumente – oder die Stimme – bedienen, und das auch nicht alle gleichzeitig. Dem Jazz üblich kommt jeder zu seiner Spielzeit und veredelt den Gesamtsound. Die Stimme etwa liegt wortlos und introspektiv zwischen Schlagzeug und Bass, Trompete und Saxophon sowie andere Blasinstrumente wie Oboe, falls es denn eine ist, wechseln einander ab, und wenn sie im Hallraum erblühen, wird der Gesamtsound umso kuscheliger. Im Verbund mit der flächigen Gitarre bisweilen sogar dronig, dann ergeben sich Soundscapes als Begleiter des aus den Fugen geratenen Rhythmus‘.

Die Konstellation hätte das Zeug dazu, den Hörenden mächtig auf die Nerven zu gehen, und vermeidet dies gottlob komplett. So behutsam tupfende, streichende, wischende, klickernde, klimpernde, atmende Menschen, die hier zusammen improvisieren, da ist die so entstehende Musik eine Erholung für die Seele. Das Fehlen offensichtlicher Strukturen fällt gar nicht auf, weil der Sound die Hörenden umfängt, umpuschelt, umschließt und auf eine Insel der Geborgenheit versetzt. Das gemeinschaftliche Aufbäumen kurz vor Schluss ist da nur folgerichtig, das Album fließt dann trotzdem in einen stillen Ozean.

Die hier miteinander verschmelzenden Gruppierungen bestehen aus: Przemyslaw Krzysztof Drążek (Gitarre, Trompete, Mandoline) und Brent J. Fuscaldo (Stimme, Bass, Percussion) auf der einen Seite sowie Glimmen auf der anderen, also Schlagzeuger Jörg A. Schneider, Labelinhaber Jason Wietlispach mit Blasinstrumenten, Dr. Mark Mantel am Vibraphon sowie Dave Gelting am Kontrabass.

Let’s Just Werewolf Them – Let’s Just Werewolf Them – Teen Prime 2025

Eigentlich war diese Session als eine übliche im Hause Teen Prime geplant, entpuppte sich aber als unerwartet intimer, lässt das Duo, bestehend aus Sebastian Fäth an der Gitarre und Jörg A. Schneider am Schlagzeug, in der Info wissen. Deshalb änderten die beiden ihren Plan kurzerhand, holten die ohnehin viel zu selten involvierte Yvonne Nußbaum mit ihrem Klavier dazu und lebten die leicht melancholische Nähe ungehemmt aus.

Alle drei bedienen ihre Instrumente quasi willkürlich, wie es in dieser Szene üblich ist, und erfüllen damit deren grundsätzlichen Impro-Geist. Nun bedeutet dies nicht zwingend die Hinwendung zum undurchdringlichen Lärm, sondern – wie hier – zur kontemplativen Zusammenkunft, bei der alle Beteiligten ihre Instrumente selbstversunken bedienen und miteinander in Austausch treten lassen. Aus dem anfänglichen Herantasten entwickelt sich über Spielzeit eine nervöse Aufregung: Nußbaum spielt ein warmes, tröstliches Klavier, Fäth seine E-Gitarre ohne Verzerrung und minimalistisch und Schneider überrollt sein Drumkit mit angezogener Handbremse. Die Töne stehen miteinander nebeneinander, ergänzen einander, drängeln sich also nicht beiseite, und ergeben filigrane Konstrukte, die direkt neben den Hörenden errichtet worden zu sein scheinen.

Doch so bleibt es nicht, einmal aufeinander eingespielt, erhöht jeder der Beteiligten die Schlagzahl am Instrument, steigert die Geräuschemission, aber nicht die Intensität, verdichtet mithin das Konstrukt, macht aus dem Filigranen vielmehr ein Mosaik, das sich in Einzelteilen auch mal schräg zur Seite neigt. Aber das ist ebenfalls nur so eine Phase, zum Schluss nimmt die Band ihre Energie wieder zurück und verfällt in den anfänglichen Sound. Ein Bisschen ist es mit den behutsameren Stücken auf diesem Album, als habe jemand vorsichtig an „Laughing Stock“ von Talk Talk gerüttelt.

Den Namen Let’s Just Werewolf Them entnimmt dieses Trio dem Debüt-Album des Duos Teen Prime: Auf „Vol. 4“ gab es 2022 einen Track dieses Titels.

Schneider | Kristof – This Ain’t My First Rodeo, Pal! – Schneider Collaborations 2025

Mit Michel Kristof aus Paris improvisiert Schneider auch nicht zum ersten Mal, dem Ausruf „This Ain’t My First Rodeo, Pal“ gehen nämlich zwei gleich betitelte Alben „Schneider | Kristof“ voran, erschienen 2022 und 2023. Beide Musiker gehen hier etwas weniger behutsam zu Werke als die Beteiligten der beiden oben genannten Projekte: Kristof gniedelt, frickelt, schreddert, quietscht, sägt, was sein Zeug so hergibt, und Schneider drischt dazu auf sein Schlagzeug ein. Beide nehmen sich zwar auch mal den Raum für filigrane Konturen, doch ist die Kontemplation der Anlass nicht: Hier geht’s zur Sache, hier darf es wehtun, das soll es sogar, und vermutlich tat es das auch beim Erstellen dieser unkontrolliert eruptiven Musik. Musik, ja, auch wenn hier abermals keine Songs im klassischen Sinne zusammenkommen, es bleibt bei zufallsgesteuerter Impromucke.

Auf zehn Tracks verteilen Kristof und Schneider ihre Experimente, alle betitelt mit „Rodeo“ und einer französischen Durchnummerierung, sehr wohl inklusive einem „First Rodeo“, schließlich eröffnet das Album mit „Rodeo Un“. Anders als bei „The Major Kong Rodeo“ von The Nude Spur, dem Projekt von Schneider und Thomas Kranefeld, das im Januar erschien, scheint es sich hier um tatsächliche Rodeos auf Pferden zu handeln – hier gehen die Gäule mit den beiden Instrumentalisten mächtig durch. Ungestüm und ungezügelt lassen die beiden die Sau raus, um im Tierischen zu bleiben. Tierisch dagegen anbrüllen möchte man spätestens bei „Rodeo Six“: Alter, die haben aber auch eine Energie! Und ein Durchhaltevermögen. Dafür aber andererseits auch keine Hemmungen. Dieses Album eignet sich weniger zum entspannten Durchhören, es ist vielmehr ein Abenteuerritt – eben ein Rodeo, aber ein langes, über eine Stunde lärmt der Bronco herum. Respekt!