Von Matthias Bosenick (09.02.2015)
Dank Informationen aus zweiter Hand (die Cousine des Hauptdargestellten) ist vorab klar, worum es dem Dokumentarfilmer Tobias Müller geht: Er will in Zeiten sich wandelnder Agrarindustrie zeigen, wie sich der Generationenkonflikt auf einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb bei Sigmaringen zeigt, indem er den rund dreißigjährigen Philipp Kienle dabei begleitet, wie er seine neuen Ideen gegen die traditionellen Vorstellungen seines finanziell nur wenig erfolgreichen Vaters Konrad durchzusetzen versucht. Den Film trägt ein sympathischer und konstruktiver Philipp – doch fehlt es der Darstellung an Dramaturgie, Tiefe, Struktur und Detailreichtum.
Sicher, wer kein Großgrundbesitzer ist, hat es heutzutage in der Landwirtschaft schwer. Ständig gibt die EU neue Direktiven aus, die für den Kleinbauern zusätzliche Kostenbelastungen bedeuten. Die Arbeit, die der Landwirt investiert, hält den Betrieb nicht mal auf Null; er muss andernorts „schaffen“ (Schwäbisch) gehen, um in den maroden Hof zu buttern und sich auch noch ernähren zu können. Konrad blieb vom Nebenerwerb verschont, Philipp nicht, doch will der genau das ändern. Die Unterschiedlichkeit der Ansichten von Vater und Sohn ist Thema – selten aber die Ansichten an sich: Man erfährt nicht, welche revolutionären Ideen Philipp nun hat. Es fallen Schlagworte wie Bio, Vielfältigkeit, neue Technik, aber weiter in die Tiefe lässt Filmemacher Müller nicht blicken. Stattdessen monologisieren Bankangestellte und Steuerberater über den hinlänglich bekanntermaßen schlecht aufgestellten Betrieb. Die Geschehnisse reihen sich ohne erzählerische Stringenz aneinander, es fehlt die Dramaturgie. Dazu kommt zur Verwirrung der Betrachter, dass Müller die offenbar über einen längeren Zeitraum entstandenen Filmausschnitte ohne Rücksicht auf Chronologie aneinanderreiht.
Oft ist Konrad einfach nur stereotyp uneinsichtig und stur. Das wirkt bisweilen wie konstruiert, damit es überhaupt zu Konflikten in dem Film kommen kann. Man kommt Konrad nicht wirklich nahe, und obwohl er nicht alt wirkt, wenngleich die ruhestandsbedingte Übergabe des Hofes an seine Sohn häufig Thema ist, vermittelt er unnötigerweise den Eindruck eines unverbesserlichen Rückwärtsgewandten. Philipp wiederum kommt man näher, seine Wortbeiträge sind stimmig, selbstbewusst und schlau. Den ungewöhnlich klischeefreien Jungbauern begleitet man gern, hört ihm beim Reflektieren zu, staunt über seinen Eifer und seine Belastbarkeit. Antrieb ist ihm die 300-jährige Tradition des Kienle-Hofes, die er nicht einfach beenden will. „Aufhören geht immer“, sagt er, wie er so einiges Durchdachtes und auch Witziges sagt. Landwirtschaftliche Vielfalt begründet er, indem er sie mit der Ente vergleicht: Sie könne fliegen, schwimmen, tauchen und gehen – „alles nicht besonders gut, aber sie kann es“.
Liebesbeziehungen sind ein weiteres Thema, zu dem sich Phillip reflektiert äußert, auch nachdem seine Freundin Manu ihn verlässt, weil sie sich als – allürenfreie – angehende Kunststudentin nicht auf dem Hof zurechtfindet. „Warum soll ich mich für eine Frau verstellen?“, fragt Phillipp, denn wenn er sich dann später zeige, wie er ist, erschrecke die Frau doch. Seine Mutter Gertrud ist, anders als Manu, der wandelnde Kompromiss, die Selbstaufgabe schlechthin; sie würde nicht wieder heiraten, sagt sie Konrad lachend ins Gesicht. „Ihr seid wie zwei Arschbacken“, heißt es an geeigneter Stelle nur echt mit falschem Genitiv, „wegen jedem Furz geht ihr auseinander.“
Manche Bilder zeigen ansatzweise Idylle, mit glücklichen Schweinen, plüschigen Katzen und niedlichen neugeborenen Kälbern. Andere zeigen die unidyllische Qual, die der Vierundzwanzigstundenjob mit sich bringt, wenn die Landwirte etwa im Schneesturm mühsam versuchen, die Silage abzudecken. Sympathisch ist auch der oberschwäbische Dialekt, mit seinem „it“ statt „nicht“ und weiteren Besonderheiten.
So bleibt zuletzt eher der Eindruck eines unsortierten Wohlfühlfilms zurück als der eines kontroversen Zukunftsbildes in Form einer Dokumentation. Exemplarisch für ein mögliches Vorgehen anderer gebeutelter Bauernhöfe ist der der Kienles nach diesem Film nicht, eine Zukunftsvision lässt sich nicht extrahieren. Das ist schade. Aber wenn Philipp das nächste Mal in der Gegend ist, kann er gerne auf ein Bier vorbeikommen.