Von Matthias Bosenick (14.08.2023)
„Le voyage nocturne“, das der 35jährige französische Metal-Musiker Julien J. Neuville aka Adunakhor Z. bereits 2017 unter dem Pseudonym Salaman Isku im Eigenverlag herausbrachte, ist ein Bisschen wie „Fear And Loathing In Las Vegas“ als Musik: Er sei von der mexikanischen Kaktusdroge Mescalito dazu befeuert gewesen, in einer Sommernacht spazieren zu gehen. Die Eindrücke, die Neuville dabei erhielt, sind nicht zwingend chillig verdrogt, sondern aufwühlend, brutal, anstrengend – Werbung für Mescalito ist dieses halbstündige Album jedenfalls nicht. Das ist auch gut so, wer braucht schon im Rock’n’Roll die Empfehlung, Drogen zu nehmen, auch wenn manche drogeninduzierten Kulturgüter so ungewöhnlich sind wie dieses; zur Sommersonnenwende von Bitume auf CD neu herausgebracht.
Mescalito ist – folgt man zumindest der vorliegenden Musik – keine Droge, die einen entspannt den Kühlschrank leerfuttern lässt, die das Sofa als Rückzugsort für die nächsten Stunden empfiehlt, die einem freundliche bunte Drachen an den Himmel zaubert, die auf Harmonien baut, die die Einheit mit dem Universum propagiert, die entschleunigt; eine nächtliche Reise unter sternenverhangenem Himmel durch eine mexikanische Wüste stellt man sich anders vor, wenn schon mit Metal, dann vielleicht mit einer Art Post Black Metal, mit Ambient-Passagen, psychedelisch, spacig, dunkel funkelnd – nichts davon ist aber „Le voyage nocturne“. Mescalito hat andere Effekte auf Bregen und Stromgitarren, und die sind nicht eben gemütlich.
Dabei ist der Auftakt noch ungefähr so, wie man es sich halbwegs ausmalt: Entspanntes Schlagzeug, lockere E-Gitarre ohne Verzerrung, doch bratzt Neuville nach gut einer Minute los, macht aus dem Beat eine gutgelaunte Polka und beginnt alsbald damit, dazu mit der E-Gitarre in solchen Höhen zu solieren, dass man Kopfschmerzen bekommt. Selbst wenn kurz darauf bereits die erste Katerstimmung eintritt, wirkt sie eher aggressiv als dunkeldumpf. Mit Tempo, aufgekratzten Gitarren und Grunzgesang geht es weiter, manche Melodie trägt etwas Schönes in sich, wie als Kontrast zur aufwühlenden Musik drumherum, und dazu setzt Neuville dezidierte Drumwirbel ein, die er auch dem Thrash oder Death Metal entnommen haben könnte. Das spacige Keyboard in einer Punksequenz wirkt wie eine Parodie, die Neuville gleich wieder mit Gegniedel zersägt. Ebenso harsch verfährt er mit einer melodischen Sequenz, die mit getragenem Tempo den Eindruck von Mitmachmusik auf einem Classic-Rock-Festival erzeugt. Ja, er kann schön, doch hat er keinen Bock darauf, schön allein oder auch länger walten zu lassen. Stattdessen klimpert er zum Ende des wohl massenkompatibelsten Stückes „La contemplation“ mit der Maultrommel herum oder durchsetzt das anfänglich entfernt an Alcest erinnernde „Le rêve“ mit einer angeschrägten Flöte. Dieses Mescalito muss ein Teufelszeug sein.
Neuville spielte das gesamte Album allein ein, was bei ihm keine Seltenheit zu sein scheint. Sein Projekt Salaman Isku, kurioserweise Finnisch für „Blitzeinschlag“, existiert dabei schon länger, 2013 brachte er eine selbstbetitelte EP heraus und 2017 diesen Drogentrip, an dem er drei Jahre lang arbeitete. Sein gelegentlich als Adz verkürzter und dem eher im Progrock beliebten „Herr der Ringe“ entnommener Nom de guerre Adunakhor Z lässt zumindest phonetisch ahnen, dass Neuville vornehmlich im Black Metal unterwegs ist. Und ja, sein erstes, damals nicht allein betriebenes Projekt Thy Apocalypse kombinierte Black Metal mit Industrial. Anschließend mischte er beim Black-Metal-Trio Abfall mit, als .eterniteduchaos. produzierte er elektronische Musik, via Reflecting The Light dann Post Black Metal. In „Le voyage nocturne“ will er auch Folkmusik untergebracht haben, aber das Volk, das solche Musik als Folklore betrachtet, muss erst noch das Licht der Welt erblicken. Eine schöne Aussicht aber.