Von Matthias Bosenick (25.04.2023)
Wenn man Black Metal und Dark Ambient mixt, ist das dann automatisch Doom? Kommt darauf an, welche Komponenten man vermengt und welcher Schleudergang eingestellt ist. „Privolva“ ist der zweite Ansatz der englischen Black-Metal-Band Sacred Son, diese Mixtur zu generieren, und das Quartett, das hier wieder auf Initiator Dane Cross mit zweifacher Hilfe von Schlagzeuger Jamie Tatnell zurückreduziert auftritt, erfüllt die Gemengelange eher Schritt um Schritt, als als tatsächliches Crossover. Heißt: Das halbe Dutzend Stücke dieses kaum halbstündigen Albums wechselt die Buxen Track um Track, anstatt wirklich aus Black Metal und Dark Ambient ein eigenes Genre zu kreieren, wie es das Black Yo)))ga Meditation Ensemble etwa vollzog. Nicht schlimm, das Album ist trotzdem geil, weil Cross sich einfach auf allen Parketts unfallfrei bewegt. Und so weit weg voneinander sind die beiden Grundgenres in der postmodernen Herangehensweise heutzutage ohnehin nicht mehr.
Mit einem dunklen Drone beginnt das Album, Track zwei, das erste von zweien mit Gesang, brüllt einen dann so richtig an, Death Metal, Black Metal, was auch immer, und dröhnt dann wiederum gemächlich in den nächsten Drone aus. Dabei überrascht, wie angenehm, wohligwarm und freundlich selbst die Dunkelheit bei Sacred Son klingen kann. Er lässt Soundscapes sich verändern, und zwar unerwartet schneller, als es im klassischen Ambient geschieht, der bisweilen halbstündig auf einem Level wabern kann. Cross hingegen musiziert beinahe schon melodiös, wenn er seine Flächen in den Raum sendet und dazu dezidiert in unkalkulierbaren Abständen leise auf seiner elektrisch verstärkten Gitarre ein einsames Riff anschlägt. Oder er lässt ein Rauschen pulsieren, in das sich verstohlen auch mal ein klarer Ton mischt. Dennoch kommt bei dieser Art Ambient kein Stress auf, vielmehr lädt es zu kleinen Reisen im eigenen Hirn ein, während die Minuten verstreichen und Cross die Hörenden von Track drei bis fünf in Ruhe wähnen und langsam in den Schlaf gleiten lässt. Dann kommt Track sechs, und der weckt nachhaltig alle auf.
„Privolva“ als Fortsetzung zu „Levania“ ist genau halb so lang wie jenes, hat aber sechsmal so viele Tracks und deutlich mehr Lärm zwischen die dunklen Synthieflächen geschummelt. Dieses Album ist ein schöner Beleg dafür, Scheuklappen und Genrezuspitzungen abzulegen, und darin ist Cross ja seit Anbeginn seines Projektes Sacred Son ausgesprochen gut, schließlich brachte er seinerzeit die beinharte Black-Metal-Szene allein damit gegen sich auf, dass er 2017 auf dem Cover des selbstbetitelten Debüts mit Sonnenbrille am Meer posierte. Dieses Mal sieht man ihn selbstversunken in einer Filiale der Pizzakette Franco Manca herumhängen, man könnte seinen Gesichtsausdruck beinahe als Lächeln interpretieren. Das macht man ja nun auch nicht im Black Metal.
Offene Geister finden an Sacred Son einmal mehr ihre Freude. Mit dem, was Cross hier abliefert, empfiehlt er zudem ein nicht minder offenes Ohr für seine Hauptband Dawnwalker. So ist „Privolva“ zwar ein kurzes Vergnügen, aber definitiv ein Vergnügen.