Von Matthias
Bosenick (05.08.2019)
Plötzlich und unerwartet landet nun
auch die zweite bereits seit Jahren fertig produzierte Episode von
Point Whitmark im Handel. In „Der Ruf des Wellengängers“
behandelt Serienchef Volker Sassenberg sein eigenes Schicksal als
mimosischer Hörspielproduzent, der von allen Beteiligten ausgebootet
wird und deshalb zu drastischen, aber für die Hauptfiguren Jay, Tom
und Derek nachvollziehbaren Maßnahmen ergreift. Wischt man diese
kindhaften Selbstgerechtigkeiten beiseite, bekommt man einen angenehm
entdrehten Fall mit Mystik, Action und Humor – aber leider nicht
die Aussicht darauf, dass es mit der Serie danach auch weitergeht.
Diesen Fall hat
Sassenberg endlich einmal nicht so sehr verquirlt, dass man ihn
mehrmals hören muss, um überhaupt zu verstehen, was da vor sich
geht. Jay, Tom und Derek lassen ein fremdproduziertes Hörspiel über
den Wellengänger über ihren Radiosender laufen, das jedoch von
einer unbestimmten Störung unterbrochen wird. Bei diesem
Wellengänger handelt es sich um eine lokale Legende aus Point
Whitmark, einen mystischen Seefahrer, dessen Überlieferungen sich
wie eine Drohung um das Küstennest spannen. Denn es sind nicht nur
die Leuchtturminhaber Leidtragende, auch Nachbarn,
Hörspielproduzenten und Seeleute.
Die Auflösung ist zwar
weder spektakulär noch aufregend, aber das schmälert den Genuss
dieser Episode nicht: Sie ist flüssig und stringent erzählt und
birgt Absurditäten und jede Menge Humor. Zudem gelingt Sassenberg,
was bei den Drei Fragezeichen versäumt wurde: Er kreiert eine
Dorfgemeinschaft, auf die er immer wieder zurückgreift, anstatt für
jede Episode neue Charaktere zu erfinden. Dabei ist eine inhaltliche
Verbindung zu früheren Fällen nicht zwingend notwendig, es reicht
die Funktion der Figuren aus. So fühlt man sich als Hörer dem
Örtchen näher, wenn man mit den Hauptfiguren regelmäßig dieselben
Begegnungen hat, dieses Mal etwa mit Doc Weatherby, Selma Metheny,
Billy Boy Barks, der Kröte, Basil Cricket, Blind Drunk, Mrs. Miller
und Belly Sue Walker. Wer die nicht kennt, sollte sich unbedingt mal
die vorherigen 41 Folgen zu Gemüte führen; für das Verständnis
dieser Geschichte ist dies aber keine Voraussetzung.
Unangenehm
an der ganzen Handlung sind jedoch die Parallelen zu Sassenbergs
Realität und seine Abrechnung mit denen, die er in echt für böse
hält. Das manifestiert sich darin, dass er frühere Wegbegleiter
hier mit identischen Initialen auftreten lässt; Volker Sassenberg
selbst macht sich hier zu Valentin Sweetwater, aus Erik Anker wird
Elmo Anquinn, aus Sebastian Breidbach wird Sammy Bowbang, aus Doerte
Poschau wird Dotty Porenza und aus Andreas Maass wird Antony Marson –
alles Leute rund um das alte Studio und das frühere Label. Aus dem,
Universal Music, wird hier übrigens Galactic Sound, was wiederum
„Die Drei Fragezeichen und die Musikpiraten“ zitiert.
Auch finden reale Anschuldigungen ihren Weg in das Hörspiel:
Sassenberg wirft seinem alten Tontechniker vor, sein Soundarchiv
kopiert zu haben. Diese ganzen Vorfälle liegen nun schon diverse
Jahre zurück und man fragt sich berechtigt, wann ein gestandener
Mann wie Sassenberg es wohl vollbringt, damit zurechtzukommen; die
Zeit, die dieses Hörspiel nun bereits auf Halde lag, wiegt dabei
trotz ihrer Länge vergleichsweise gering und fällt nicht ins
Gewicht, schon bei dessen Produktion waren die Geschehnisse
schließlich veraltet. „Der Ruf des Wellengängers“ birgt somit
nicht nur ein unterhaltsames Hörspielscript, sondern auch ein
Armutszeugnis.
Krone der Selbstherrlichkeit ist, dass
Sassenbergs Alias hier anbietet, aus den Abenteuern von Jay, Tom und
Derek eine Hörspielserie zu machen. Daran würde nun quasi Folge 1
anschließen und die Frage offen bleiben, ob es eine Folge 43
überhaupt jemals geben wird. Bei aller Qualität, die die Serie hat:
Damit bliebe einem wenigstens das Gejammer Sassenbergs erspart. Es
mag paradox klingen angesichts von Kinderhörspielen, aber hier ist
ein Reifeprozess definitiv angebracht.