Von Matthias Bosenick (03.11.2016)
Betreutes Rocken: Dafür, dass die Pixies vor 25 Jahren den Indierock und indirekt den Grunge erfanden, gestaltet sich ihre neue Musik nach der fragwürdigen Reunion als selbstplagiierender Aufguss. Die interessantesten Passagen sind Eigenkopien, der Rest eine Melange aus nett und langweilig. Da war das frühe Solowerk von Chefquerulant Frank Black alias Black Francis deutlich innovativer. Die nunmehr Erwachsenen tauschen das Subversive gegen die fröhliche Retromanie ein. Oh wie schön war Panama, als wir es entdeckten. So richtig schlimm an „Head Carrier“ ist indes, dass das Album der Jugend immer noch etwas vormachen kann. Wer kann, wende sich dennoch den alten Alben zu.
Sicher, das Wiedererkennen funktioniert einwandfrei. Die Pixies ordnen ihre altbekannten Elemente anders an und geben das verlangsamte Ergebnis als neue Songs aus. Mag bei manchen Bands funktionieren, doch fehlt hier die Vision, die den alten Alben innewohnte. Der Blick auf die eigene Vorreiterschaft bleibt 25 Jahre später nichts weiter als ein Rückblick. Mit ehrlichem Blick muss man sogar feststellen, dass „Head Carrier“ die Antithese zu den alten Pixies ist. Anders ist es bei Bands, die permanent musizieren und nach derselben Zeit ein solches Album herausbringen: Die haben sich dorthin entwickelt und nicht neu erfunden. Die der Pixies ist keine Reunion, die der Musikgeschichte etwas Essentielles hinzufügt; das gelang strenggenommen so gut wie nur den Swans.
Abseits davon ist „Head Carrier“ natürlich doch irgendwie ganz toll. Hübsche Melodien, ein Bisschen Rumschreien, die Nirvana-inspirierende Laut-Leise-Dynamik, balladesker Unsinn, schleppende Gitarrenschrammelwände, weiblich-männlicher Wechselgesang. Die Pubertät der Geronten. In die 33 Minuten Indierock dieses Albums schleichen sich kaum Störgeräusche ein, der Classic-Rock-Fan mit alternativer Prägung wird nicht aus seinem Nachmittagsschläfchen gerissen. Ein großer Spaß für die ganze Familie, die ja musikalisch auch irgendwie geprägt werden muss. Auf Songs wie „Vamos“, „Broken Face“, „Crackity Jones“, „Hang Wire“ oder „Subbacultcha“ bringen wir den Nachwuchs erst, sobald er volljährig ist. Bis dahin sei er an diesen gefälligen Rock der alten Leute gewöhnt. Hör, jetzt hat er „fuckin’“ gesagt! Uh! Vielleicht wird das Album ja interessanter, wenn man es auf 45 abspielt. Dann hat es zwar nur die Länge einer EP, aber das reicht ja auch schon, wenn’s dann wenigstens gut ist.
Nach der kommerziell fragwürdigen EP-Sammlung „Indie Cindy“ ist dies das eigentliche Reunionalbum, sagt die Band. Dabei ist dies keine Reunion, schließlich ist Kim Deal schon wieder nicht mehr dabei. Paz Lenchantin ersetzt sie inzwischen, bekannt von A Perfect Circle und den anderen Wiedergängern Smashing Pumpkins in ihrer Interimsinkarnation als Zwan. Kein Krieg gegen die gute Kim sei hier geführt, schließlich darf Paz, ganz gegen die misogynen Angewohnheiten des Platzhirsches Frank Black, Frau Deal ein eigenes Liedchen singen, was Black Deal nach dem Erfolg ihres „Gigantic“ noch neidvoll verweigerte. Man wird ja älter, und wenigstens in solchen Aspekten zeigt sich der Vorteil davon. Neben Black weiterhin im Boot sind David Lovering und Joey Santiago sowie Coverkünstler Vaughan Oliver.
Doch, „Head Carrier“ ist zumindest ganz nett. Aber überflüssig. Braucht kein Mensch, frisst im CD- oder LP-Regal oder auf der Festplatte aber auch kein Brot. Kann man mal mitnehmen, wenn’s billig irgendwo rumliegt. Pledgen hätte man es jetzt nicht zwingend müssen. Fürs nächste Mal merken.