Von Matthias Bosenick (03.04.2024)
Was ein schöner Titel: „A Sparkle On The Dark Water“, quasi die Perle in der Scheiße, der Hoffnungsschimmer in der Finsternis – und so hört sich das zweite Album des Duos Pinhdar aus Mailand auch an. Dunkler, atmosphärischer, warmer Synthie-Wave mit Gitarren, der einen alleinstehenden Mittelpunkt findet zwischen beispielsweise Portishead, Cocteau Twins und Dead Can Dance, zwischen Fragilität und ruhender Stärke. Es gelingt Sängerin und Keyboarderin Cecilia Miradoli und Gitarrist Max Tarenzi vortrefflich, das Glitzern auf dem dunklen Wasser herauszuarbeiten.
Sämtliche zehn Songs auf „A Sparkle On The Dark Water“ hält das Duo im Downtempo, und doch wechselt die Atmosphäre zwischen den Stücken, weil Miradoli und Tarenzi jedem eine eigene Ausprägung verleihen. Sanfte Synthies und noch sanftere Wave-Gitarren bestimmen den Sound grundlegend, Hall-Effekte sind omnipräsent, dazu singt Miradoli nebelverhangen – der Opener „In The Woods“ gibt die grobe Richtung vor, und dann gibt’s gleich in „Cold River“ die Ahnung von einer Beschleunigung, indem der Drumcomputer die Taktzahl erhöht, aber gegen die dunkle Stimmung nicht auf eine Weise ankommt, dass man das Lied gleich für schnell halten würde. Spannend, auch mit der Energiesteigerung ab der Mitte, wenn Pinhdar kurzzeitig den Shoegaze auspacken.
Pinhdar bleiben divers: So kraftvoll wie in „Frozen Roses“ sind die Beats nur dort, die Analogie zum Trip Hop ist hier am größten. Die Gitarrenfiguren in „Murderers Of A Dying God“ lassen eine Ahnung von den späteren Radiohead aufkommen. Streicher findet man etwa in „Humans“ und „Solanin“, ersterer entwickelt sich zum wohl einzigen Rocksong des Albums, zweiterer wartet überraschend mit Electro-Effekten auf, die man aus dem Techno kennt. In „Abysses“ arbeitet das Duo mit wuchtiger Percussion. Und insgesamt bleibt alles dunkel, zerbrechlich und doch kraftvoll, wunderschön.
Analogien lassen sich einige finden, etwa zu Portishead, insbesondere in der Kombination aus Downbeat und Stimme, zum Dream Pop von den Cocteau Twins, zur tranceartigen Tanzbarkeit von Dead Can Dance – und insgesamt zum leider unbekannten und seit zehn Jahren inaktiven Kopenhagener Duo No Hay Banda. Pinhdar vermeiden es dabei, die Analogien direkt zu kopieren, und ebenso, einen reinen Retro-Sound zu generieren. Sie sind zeitlos.
„A Sparkle On The Dark Water“ ist das zweite Album nach dem 2021 von Howe B produzierten „Parallel“ und der selbstbetitelten, ebenfalls bereits in London abgemischten Debüt-EP aus dem Jahr 2019. Im vergangenen Jahr erschien in limitierter Auflage „Live At The 19th Dream Of Dr Sardonicus Festival 2023“, für das das Duo den Schlagzeuger Alessandro Baris von Bands wie Young Boy und Comfort mit auf die Bühne nahm und das das Label kurioserweise zusätzlich mit Prog Rock etikettierte.
Offen lässt das Duo, ob es sich beim Bandnamen, den die beiden stets in Großbuchstaben verwenden, um ein Akronym handelt. PINHDAR, People In Nights Have Dark Amorous Reasons? Italienisch kann es jedenfalls nicht sein, da gibt es keine Wörter, die mit H beginnen. Bitte lösen! Und bis dahin lässt sich das wundervolle Oeuvre des Duos vortrefflich konsumieren, auch tagsüber.