Pearl Jam – Lightning Bolt – Republic/Universal 2013

Von Matthias Bosenick (18.10.2013)

Was ist nur mit Pearl Jam los? „Lightning Bolt“ klingt wie eine hingewurschtelte Auftragserfüllung, mit kompositorischem Mittelmaß, lustlosem Rock, tranigen Balladen. Vielleicht drei, vier Stücke sind raffiniert oder atmosphärisch oder irgendwie sonst bemerkenswert, der Rest ist austausch- und damit verzichtbar. Wäre nicht Eddie Vedders quängelnde Stimme, man würde die Musik nicht einmal Pearl Jam zuordnen. Und, ganz schlimm: Rockballaden.

Uninspiriert klingt das Album, als seien Pearl Jam irgendjemandem etwas schuldig, vermutlich eher der Plattenfirma als den Fans, denn denen dreht man so etwas nicht an. Bestenfalls sind Pearl Jam einfach nur alt geworden und machen jetzt Altherrenrock. Weder als Entschuldigung noch als Ausrede wäre dies akteptabel, siehe NoMeansNo und sonstige hochkreative alte Musiker. Es klingt eher nach Combos wie den Stones, die ihre Schäfchen ganz tief im Trockenen drin haben und weder sich noch irgendwem sonst etwas beweisen zu haben glauben. Sollte dies der Fall sein, wäre es sträflich, denn selbst Multimilliardäre wie U2 legen Wert darauf, ihre neueren Alben musikalisch einigermaßen unvorhersehbar zu gestalten.

Klar ist: Handwerklich sind Pearl Jam unantastbar. Was sie tun, beherrschen sie. Das gilt für ihre Rockbrocken ebenso wie für ihre Schmalzstücke; beides hält sich auf „Lighning Bolt“ etwa die Waage. Jetzt müssten sie dort nur mal wieder ihre Seele mit hineinlegen. Einige Passagen, manche Stücke gar, zeigen doch, dass sie es grundsätzlich noch können. In das ansonsten geradlinige „My Father’s Son“ bauen sie einen überraschenden Latino-Rhythmus ein. „Let The Records Play“ ist ein ordentlicher Bluesrocker. „Infallible“ greift den langweiligen Schrammelrhythmus der Nullerjahre-The-Bands auf und macht daraus fast einen Disco-Stampfer. „Pendulum“ schafft mir Akustikgitarre und Percussion einiges an Atmosphäre.

Ansonsten ist die Musik zu glatt, zu genau, zu abgezirkelt, zu sauber. Da waren Pearl Jam mal anders, es wäre also keine Forderung nach etwas für sie Unbekanntem. Dafür klingen wiederum die Songs selbst zu bekannt, zumeist direkt von Pearl Jam (einmal dringt etwa „Do The Evolution“ überdeutlich durch), bisweilen auch einfach nur aus mehr als 50 Jahren Rock’n’Roll-Geschichte. Der Rock geht immerhin ganz amtlich auf die Zwölf, okay, aber die Balladen nerven. Rockballaden sollten Musikern ab einem Alter von 25 Jahren einfach mal verboten werden. Auch solchen, die zur viertältesten Szene-Band aus Seattle gehören, nach Mudhoney, den Melvins und – wenn man die Pause ignoriert – Soundgarden. Und so etwas 20 Jahre nach dem Ende von Grunge, als hätten sie da nie mitgemacht.

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