Von Matthias Bosenick (16.06.2015)
Der Mann macht mit 57 Jahren weitaus attraktivere Musik als die Epigonen, die sich auf ihn berufen und ihn für den Vater dessen halten, was sie selbst als „Britpop“ bezeichnen, ohne indes von ihm wirklich etwas gelernt zu haben. Paul Weller hat Haltung, er macht seine Musik immer schon mit einer bemerkenswerten Ernsthaftigkeit. Und er lässt sich nicht limitieren. Seit einigen Jahren schon experimentiert Weller fleißig herum, in Kauf nehmend, dass er damit seine Fans vor den Kopf stößt; hier etwa mit drogenschwangerem Electropluckern. Damit sind seine Alben zwar nicht zwingend homogen großartig, aber mindestens grundsolide, und sie bieten mehr als einen Track an, der sich über die Maßen hinaus für die persönliche ewige Playlist qualifiziert; hier könnte es „Long Time“ sein.
Im Grunde ist es Rockmusik, die Paul Weller macht. Machen lässt, von seinen wechselnden Mitmusikern. Klar bedient sich der Mann bei dem, was in England an Rockmusik vorliegt, etwa Beatles-Harmonien, Shoegaze-Drones, Britpop-Rhythmen. Doch garniert er Bekanntes mit eigenen Arrangements, singt etwa mit sich selbst im Chor, unterlegt Tanzbeats mit Piano, findet sein eigenes Tempo, das er selbst sogar noch durchbricht. Er lässt den Bass grooven und integriert nicht nur Dub-Elemente, sondern lässt sich sogar von Amorphous Androgynous inspirieren, dem Nebenprojekt von Future Sounds Of London, das auf der limitierten Version von „Wake Up The Nation“ vor fünf Jahren die Stücke „Aim High“ und „Pieces Of A Dream“ in einen lysergleichten psychedelischen Drogentrip elektrifizierte. Gleichzeitig mag Weller losrocken und wie in „Long Time“ den alten Punkrocker raushängen lassen und wie direkt danach in „Pick It Up“ den hymnischen Barden mimen. Am besten ist Weller indes, wenn er sich nicht an den inzwischen klassischen Britpop anlehnt, denn der stinkt schon immer.
Immer schon, nicht nur seit seinem Solo-Debüt 1992, klang Wellers Stimme extrem seriös, seine Art zu singen war an Ernsthaftigkeit nicht von anderen übertroffen. Mit dieser hörbaren geraderückigen Haltung nimmt man ihm jedes Experiment, jede Spinnerei ab. Natürlich auch die Songs, die keine Spinnerei sind. Die überwiegen schließlich. Mit diesem Bindeglied sind dann die Unterschiede zwischen den Alben trotz aller Spielereien eben nicht mehr so groß. Man bekommt vielmehr ein Paul-Weller-Album, das den bisherigen Universum tatsächlich noch etwas Neues hinzufügt, ohne sich selbst zu verlieren.
Bei „Saturns Pattern“ ist die Bonus-Track-Verteilung etwas rätselhaft. Die CD-DVD-Version im dieses Mal kleinen Buch ist nicht die Version mit den meisten Songs. Es gibt noch eine limitierte Box, die die LP beinhaltet, und in der Box liegen eine DVD sowie eine CD, die drei Lieder mehr beinhaltet als die Deluxe-Version. Diese Songs sind allerdings ebenfalls Bestandteil der Streaming-Version des Albums.
Und fürs Wegsortieren: Paul Weller war von 1976 bis 1982 Mitglied des Mod-Rock-Trios The Jam und von 1983 bis 1989 Bestandteil des Art-Pop-Duos The Style Council. 1992 machte er sich selbständig, „Saturns Pattern“ ist sein zwölftes Studio-Album seitdem.