Von Matthias Bosenick (08.07.2024)
Air nun wieder! Watteweich und einkuschelnd setzt der Universalkünstler Patrick Siegfried Zimmer, einst als finn., nur echt mit Punkt und kleingeschrieben, die Musikwelt aufwirbelnd, seine 2018 begonnene autobiographisch motivierte Album-Reihe „Memories“ mit den Kapiteln „XXI-XXX“ fort. Auf diesen handelt er eigene Tagebucheinträge balladesk auf Klavierbasis ab und umpuschelt sie mit Chören, Streichern, großen Gesten und der Vermeidung von Kitsch. Melancholisch und dennoch heilsam ist der Genuss dieses Albums, keine schlechte Medikation in ungestümen Zeiten.
Zwischen Streicher und Piano passt immer eine sanfte, dennoch eindringliche Stimme, und mit solcher trägt Patrick Siegfried Zimmer seine Erinnerungen vor, bestens zu den zehn Songs passend, die er auf Englisch darreicht, obschon er auch wie Sigur Rós einfach keine real existierende Sprache verwenden könnte, ohne dass diese Lieder dabei an Ausdruck verlören. Nicht alle Lieder sind gleich opulent ausgestattet, bei manchen reduziert Zimmer sich auf Klavier und Stimme, minimalistisch, brüchig, bei anderen zieht er alle Register des großen neoklassisch unterfütterten Pop, mit Chören, Streichern und allersanftestem Schlagzeug, in einer Opulenz und Dringlichkeit, die an die Air-Alben nach „Moon Safari“ denken lässt. Auch für Glocken und Glockenspiel räumt er dann mal Platz ein. Zimmer kreiert Balladen, kein Song dieses Albums gerät in die Nähe von Midtempo, von noch schneller ganz zu schweigen, und doch wird dieses Album nie langweilig.
Bei Zimmer handelt es sich wahrhaftig um einen Universalkünstler. Seine „Memories XXI-XXX“ komponierte er selbst und spielte sie auch noch komplett allein ein. Sein erstes Album veröffentlichte er vor 21 Jahren, seinerzeit als finn.; das Pseudonym legte er kaum zehn Jahre später ab, um seinen künstlerischen Weg unter seinem Geburtsnamen fortzusetzen; parallel ist Zimmer zudem auch als Künstler, Designer und Filmemacher tätig. Und mit einem beachtlichen Netzwerk, die Liste der renommierten Künstler, mit denen er zusammenarbeitete, ist lang: Blixa Bargeld, Stephan Eicher, Hannes Wader und König Boris auf der musikalischen sowie Robert Stadlober und Dirk von Lowtzow auf der filmischen („Anhedonia – Narzissmus als Narkose“) Seite sind nur eine Handvoll Beispiele.
Der Plan hinter den „Memories“ ist zudem, dass Zimmer alle drei Jahre zehn weitere akustische Erinnerungen folgen lässt. Der erste Teil (mit auf Gitarre basiertem Streicher-Pop und ausschließlich in Englisch gehaltenen Einworttiteln) erschien 2018, der zweite (rein instrumentale Neoklassik mit lateinischen Einworttiteln) 2021, der dritte (den englischen Einworttiteln steht hier jedes Mal ein The voran) jetzt, bislang ist er sich damit also treu geblieben. Kurios ist ein Album mit Karaoke-Versionen seines Songs „Eternity“ von der ersten „Memories“-Sammlung aus dem Jahr 2020, auf denen zehn Künstler den Song zum Playback einfach nachsangen; ein lustiges Unterfangen.