Von Guido Dörheide (19.03.2023)
Ja Pascow, neues Album! Leckt mich am Arsch mit all dem anderen Mist. Hier erstmal vielen vielen lieben Dankeschön an Christian aus Hannover, dass er mich vor einigen Jahren mit „Geschichten, die einer schrieb“ zum Fan gemacht hat. Pascow mit P aus Gimbweiler mit G sind in den knapp 25 Jahren ihres bisherigen Bestehens zu einer, wenn nicht zu DER deutschen Punkrock-Institution herangewachsen, von daher verkneife ich mir gleich zu Anfang jedwede Sonderzug-Kalauer. Der Name Pascow klingt zwar wie eine Ortschaft im Brandenburgischen, wie Buckow oder Bratzow (Heimat des gebenden Blicks), benannt hat sich das Quartett aus Alex Pascow (Gitarre, Gesang), Swen Pascow (Gitarre), Flo Pascow (Bass) und Ollo Pascow (Drums) aber nach Victor Pascow, dem griechischen Einmannchor aus „Friedhof der Kuscheltiere“ von Stephen King, dem Mann mit dem Herzen eines kleinen Jungen, das in einem Glas auf seinem Schreibtisch steht. Pascow haben wir wunderbare Albumtitel wie „Richard Nixon Discopistole“, „Letzter Halt gefliester Boden“ oder „Diene der Party“ zu verdanken, weshalb sich „Sieben“ im Vergleich ein wenig langweilig ausnimmt, aber dafür angenehm selbsterklärend ist.
Das Cover- und das Backcoverartwork mit Bildern eines Mädchens (vorne) und eines Jungen (hinten), das aus einer Bilderserie der amerikanischen Fotografin Dorothea Lange über die „Great Depression“ stammt, ist total stimmungsvoll und bedrückend und erinnert mich an „In The American West“ von Richard Avedon (wir alle erinnern uns an das ernst dreinblickende Mädchen in der Fotocollage auf dem Cover von Sonic Youths „Sister“, das ab der Zweitauflage aus urheberschutzrechtlichen Gründen durch ein schwarzes Rechteck ersetzt wurde. Exkurs nutzloses Wissen Ende). Und beide Bilder passen in ihrer anklagenden Hoffnungslosigkeit prima zum neuen Pascow-Album.
Hören wir zunächst mal die Musik an: Jedwede Gitarre bei Pascow klingt wie auf Kniehöhe aufgehängt, aber immer superschön gespielt. Wir haben es hier mit Musik zu tun, die Freunden von EA80, Slime und Hüsker Dü gefallen dürfte. Die Gitarren spielen weniger Riffs als vielmehr Melodien, dazu hämmern Bass und Schlagzeug sehr songdienlich (ehrlich, beide drängen sich niemals in den Vordergrund, obwohl sie das technisch locker könnten), und Alex schreit dazu seine – im Vergleich zu den frühen Pascow-Veröffentlichungen sehr eingängigen und verständlichen – Texte. Seine Stimme klingt fast immer nölend und hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Pascow verkörpern für mich vom rein musikalischen Standpunkt her den Punk der gegenwärtigen Neuzeit – für Stadionauftritte vollkommen ungeeignet, authentisch, passiv-aggressiv, locker und zu gleichen Maßen angespannt – scheiße, man will dazu vor einer Bühne stehen, zackig rumhampeln und das Haupthaar schütteln, als gäbe es kein Morgen.
Aber nun zur Hölle mit dem Teufel – was taugen uns Pascow textmäßig gesehen?
Dazu kann man nur ein Wort sagen: Verdammt viel, Mann, ehrlich! Den Opener „Himmelhunde“ hatte ich ja schon oben im zweiten Satz abgehandelt (Hammer, dieser Song geht sowas von überall rein und wandelt sich in der letzten halben Minute auf einmal noch zu etwas ganz Anderem!), das zweite Stück „Königreiche im Winter“ (gesanglich unterstützt von Apocalypse Vega von Acht Eimer Hühnerherzen) behandelt Obdachlosigkeit auf eine Art und Weise, die unter die Haut geht, und mit Zeilen wie „Auf dem Baum bei den toten Fabriken haben wir uns Rache geschworen – Du die Königin im Ritzen und ich als König hab immer gelogen“ verursachen Pascow eine ziemliche Gänsehaut, und mit dem folgenden „Monde“ geht es unglaublich dystopisch weiter – der Text über die Stadt, den Müll und den Tod geben den Hörenden keinen Grund zum Lachen, sonst würden sie es tun. Weiter geht es mit „Gottes Werk und Teufels Beitrag“: Ein Anti-AfD-Song, wie er besser nicht geht. Zuerst werden Höcke, Storch, Gauland, Chrupalla genannt und dann als Nazis mit Krawatte gebrandmarkt und im Refrain schreien Pascow „Und der Teufel schickt uns einen Kuss – wir haben von alledem gewusst.“ Im Verlauf des Textes werden dann auch noch Amazon, Glyphosat und Palmöl nicht geschont, wunderbar!
Im weiteren Verlauf des Albums wird es musikalisch nicht langweiliger und textlich nicht belangloser, alles ist am Arsch und wird es bleiben, wir haben es fast geglaubt. Hört es Euch an, schüttelt das Haupthaar dazu, „Sieben“ ist sowas von ein Hammer von einem Album, dass man es kaum glauben kann.