Oslo Tapes – Låst Comet – Grazil Records 2025

Von Matthias Bosenick (24.11.2025)

Mit „Låst Comet“ setzt Marco Campitelli sein Projekt Oslo Tapes fort, wieder mit variierter Besetzung, wieder mit Krautrock als angenommener Basis, dieses Mal indes vornehmlich in Richtung Dreampop orientiert, der in der Mitte in der psychedelischen Disco landet. Dieser „eingesperrte Komet“ will unbedingt raus, man spürt, dass er sich nur schwer bändigen lässt. Loslassen hilft! Dieses Mal bekommt das italienische Projekt übrigens wahrhaftig norwegische Unterstützung, unter anderem von Motorpsycho-Schlagzeuger Håkon Gebhardt.

Beinahe ergibt die Intensität dieser zehn Songs – der „JSK Remix“ vom „Pyramid Shape“ ist nicht in allen Versionen von „Låst Comet“ enthalten – eine Gaußkurve, schöbe Campitelli nicht kurz vor Schluss noch einen Ausbruch in den Ablauf ein. Diese Kurve nun startet mit halligem Dreampop, enorm verhuscht, mit dennoch leicht noisy Sounds im Hintergrund. Erst ab dem dritten Song, dem genannten „Pyramid Shape“ in der regulären Version, steigert sich das Schlagzeug, der Rhythmus wird experimentell, dadurch der gesamte Track hypnotisch, nervös, und endet mit einem genervten „ah, fuck!“. Dem Groove ergibt man sich gern, und man stellt fest, dass der eigentlich bereits seit den ersten Tönen vorliegt.

Von hier an steigert sich das Album, es bekommt mehr Noise, mehr Psychedelik, mehr Shaker, und in „Tribe Telepathy“ stellt man plötzlich fest, dass man hier sogar Gesang zu hören bekommt, in diesem Song nämlich erstmals etwas klarer, wenn auch nach wie vor zurückhaltend, aber nicht mehr zu scheu wie zuvor. Die Stimme gehört Emilie Lium Vordal von der Band Closing Eyes, die hier den Hauptteil des Gesangs liefert. Die Musik dazu unterstreicht, wie schön die Songs auf „Låst Comet“ sind: Die Arrangements sind sehr reichhaltig, dicht, aber nicht überfrachtet, und bieten trotz der Soundscapes viel Raum für weitere Elemente, in diesem Falle etwa eine Akustikgitarre und eine Flöte.

Ja, es geht aufwärts, und zwar mit „Transpace“ in die psychedelische Disco. Dichte Synthies verstärken das repetitive Pulsieren, man dreht sich um sich selbst, und dann wird „Bizarrå“ sogar nicht intensiver, kraftvoller, es geht ab in die Indie-Disco. An diesem Punkt des Albums hätte man mit einer solchen Entwicklung nicht gerechnet. Und weil Campitelli das ahnt, fährt er mit „Quasistar“ den Schub zurück zum sphärisch-spacigen Hauchen. Ha, ha: Um direkt danach in den „Astral Path“ einzuschwenken, und anstatt das Album so gaußmäßig weiter ausfaden zu lassen, wird es krass, bekommt eine Bratzgitarre und ein Bratzschlagzeug sowie weiblich-männlichen Duettgesang, der indes gehaucht bleibt. Mit „Lazarus Awaking“ aber verhuscht das Album endgültig.

Mit diesem Album will Campitelli Esoterik und Europäische Avantgarde kombinieren, schreibt er in der Info. Gottlob funktioniert diese Musik auch ohne Bock auf Eso, obschon ihr etwas Hypnotisches inneliegt, aber das ist ja ansonsten auch einfach so ein typischer Bestandteil des Krautrock, der hier ja als Haupteinfluss herangezogen wird. Mit „Låst Comet“ ist ein „eingesperrter Komet“ gemeint, das nur auf Englisch funktionierende phonetische Wortspiel mit dem „verlorenen Kometen“ könnte man bei Verzicht auf den Ringakzent als „letzten Kometen“ auffassen, läge damit aber daneben.

Für dieses Mal stockte Campitelli sein fluides Ensemble auf, nicht nur um den Motorpsycho-Schlagzeuger Håkon Gebhardt, der hier einen Gastauftritt hat, und Sängerin Emilie Lium Vordal. Weitere Mitmusiker sind: Lucio Piccirilli, Emil Nikolaisen, Mauro Spada, Davide Di Virgilio, Lorenzo Di Lorenzo, Matteo Giancristofaro, Andrea Angelucci sowie Kaouenn alias Nicola Amici. „Låst Comet“ ist das fünfte Album von „Oslo Tapes seit 2013.