Onioroshi – Shrine – Bitume Prods 2025

Von Matthias Bosenick (27.02.2025)

Viele Grüße aus Itoolien! In Cervia an der Adria, zwischen Ravenna und Rimini, sitzen drei Musiker, die unter dem Bandnamen Onioroshi – die japanische Bezeichnung für eine teuflische Gemüsereibe aus Bambus – extremst progressive Rockmusik machen, mit allerlei Spielereien in Wiederholung, Fuzz, Epik, Psychedelik und Melancholie. Drei Tracks in fast einer Stunde bastelt die Band auf dem zweiten Album „Shrine“ zusammen, maximalst komplex und mit einer mal mehr, mal weniger deutlichen Nähe zu Tool. Nur weit dreckiger und mehr in Richtung Post Rock, Shoegaze oder Noise Rock.

Die ersten vier Minuten des Openers „Pyramid“ bestehen aus zaghaftem Gitarrengeklimper, das an Post Rock erinnert und die Idee von Wiederholung, die Onioroshi auf „Shrine“ fortwährend wiederholen, schon mal behutsam einführt. Dann bricht der Sturm los, langsam, aber malmend, impulsiv, intensiv, und überraschenderweise mit Gesang, was in dem Genre nicht zu erwarten wäre, da bleibt man ja eher instrumental. Die Stimme ist angenehm in mittlerer Tonhöhe gehalten, bisweilen auch als Chor, der oftmals sphärisch-entrückt erklingt, während die Mucke dazu mörtelt. Nun, hier geht der Druck bald wieder heraus und rückt den Track in einen angerauhten progressiven Rock, der das Repetitive fortsetzt. Das Schlagzeug ist nun das erste Instrument auf diesem Album, das mit seinen Kapriolen sehr eindeutig an Tool denken lässt; der Takt ist nur mit gebrochenem Genick bangbar. Dann bricht ein episches Solo zum Walzertakt los, dann driftet das ganze Stück in die Tool-Kiste. Die Sprünge in diesem Track kommen so überraschend, dass es auch mehrere Tracks sein könnten. Wie zur Bestätigung bricht „Pyramid“ nach über 18 Minuten einfach ab.

In „Laborintus“ klingt der Bass sehr, sehr nach Tool, das rollende Schlagzeug passt dazu perfekt. Lediglich die Gitarren bekommen mit dem Flanger einen spacigen Anstrich, den es bei Tool so nicht gibt. Als nächste Etappe begleitet die Gitarre die Gesangsmelodie zu einem monotonen rhythmischen Unterbau, nach einiger Zeit abrupt gestoppt von einem lärmbegrüßenden Fuzz. Abermals dehnt sich eine repetitive Passage ins Unendliche aus, naja, beinahe, denn sie geht in ein komplexes Frickeln über. Das war die nächste Viertelstunde.

Das zwanzigminütige „Egg“ startet mit einer tieftönenden fuzzy Gitarre, der rhythmische Hintergrund ist allerdings zu schnell, um von Doom sprechen zu können. Auch der Bass ist plötzlich sehr fuzzy. Abermals plötzlich fährt das Trio den Track komplett herunter, leitet ein melancholisches, minimalistisches Klimpern mit ätherischem Gesang ein und überführt dies in gedehnte Akkorde ohne Beats, aber mit schamanischen Chants. Der Abschluss gerät latent aggressiv und steht dem Album ausgezeichnet. Von Tool ist hier jetzt klängst keine Rede mehr.

Warum Onioroshi, 鬼おろし, übersetzt ungefähr „Reibeisen des Teufels“ heißt, lässt sich so schnell nicht ermitteln; lediglich, dass diese Reibe aus Bambus besteht. Irgendwas mit Teufel geht im Rock’n’Roll ja immer, obschon man bei der Beschreibung eher Appetit bekommt: Man verwendet die Reibe etwa, um Rettich für Shimotsukare zu zerkleinern, was „Ich bin müde“ heißt und ein Gericht aus gekochtem Lachskopf, Sojabohnen, Gemüse und Resten ist, populär in Süd-Kyushu und Okinawa. So nimmt es jedenfalls nicht Wunder, dass der Opener des Onioroshi-Debüts „Beyond These Mountains“ aus dem Jahr 2019 ausgerechnet „Devilgrater“ heißt. Die Band besteht aus Bassist und Sänger Manuel Fabbri, Schlagzeuger und Sänger Enrico Piraccini sowie Gitarrist Matteo Sama.