Von Matthias Bosenick (16.02.2023)
Was für eine energetische Spielfreude die Leute haben, die Jim Lough für den ersten und bislang einzigen Livegig seines Projektes Old Town Crier zusammenfügte! Eine Auswahl zuvor unveröffentlichter, mithin exklusiver Songs stellt der Bluegrass-Musiker aus Lakeville, Massachusetts als „A Night With Old Town Crier“ bereit und spendet die Hälfte des Erlöses an eine Obdachlosenorganisation. Sein zweites Benefizprojekt nach „You“ also, an dem einige der hier beteiligten Musikanten ebenfalls mitwirkten, und nicht das letzte: Lough kündigt an, diese Herangehensweise fortzusetzen. Auf dem Album gibt es nun glasklar gespielten Blues, Alt.-Country, Boogie, mit E-Piano und Saxophon zum klassischen Bandsetting und alles mit einem Seitenblick auf eine freundliche Indierockmusik – und Jazz.
Fett, was die Band hier darbietet, und unvorstellbar, dass dies eine einmalige Live-Angelegenheit war, so famos ist das Zusammenspiel dieses Sextetts. Beseelt und routiniert präsentieren die Musiker einen perfekt arrangierten Songreigen, dem man die Exklusivität nicht anhört. Das müssen die doch schon öfter gemacht haben, nachts in irgendwelchen obskuren Bars in US-amerikanischen Mittelstädten, da, wo der Geist solcher Musik noch lebendig ist, ohne künstlich als Retro zelebriert zu werden und man trotzdem offen ist für etwas Modernität.
Solche Musik, das ist hier beschwingter Blues mit elektrifiziertem Piano und Saxophon, mit unverzerrter E-Gitarre, rhythmisch groovendem Bass und unaufdringlich treibendem Schlagzeug. Dazu singt und talkt Lough den Blues, mit einer angenehm angerauhten Stimme und ebenso den Groove befeuernd wie die Musik. Blues allein reicht hier als Grundlage gar nicht aus, Lough selbst spricht von Alt.-Country und Indierock, das E-Piano klimpert dazu den Boogie. Einen Reggae-Offbeat streut die Band einfach mal so ein, und selbst, wenn sie balladesk das Tempo drosselt, ist doch feurige Energie in der Musik. Und immer wieder soliert das Saxophon, man möchte niederknien. Der Applaus am Ende jedes der acht Songs ist mehr als gerechtfertigt.
Gibt es Analogien? Bestimmt! Hauptsächlich ploppt der Gedanke an John Lurie auf, der ja ähnlich unorthodox mit dem uramerikanischen Musikerbe umgeht, ohne es zu dekonstruieren. Für die frühe Barmusik eines Tom Waits hingegen ist der Sound von Old Town Crier nicht zerrüttet genug, dafür ist die Band viel zu organisch. Und was für eine Band Lough hier zusammenträgt: Jazz-Schlagzeuger Avery Logan, der kanadische Jazz-Kontrabassist Alex Bilodeau, Gitarrist Garrett Jones (nicht der Baseballspieler), der musikalisch enorm breit aufgestellte Keyboarder JennHwan „The Redman“ Wong aus Kuala Lumpur sowie der australische Jazz-Saxophonist Stephen Byth. Erstaunlich viel Jazz für dieses gewiss nicht ganz jazzlose Album, und das erklärt womöglich auch, warum die sechs Musiker live so gut harmonieren.
Die Hälfte des Erlöses aus dem Verkauf dieses Albums geht an Pine Street Inn, eine Organisation in Boston, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Obdachlosigkeit entgegenzuwirken. Mit dem Mini-Album „You“ unterstützte Lough alias Old Town Crier (nicht das Magazin aus Alexandria, Virginia) im vergangenen Jahr bereits demokratische Politiker, und so will es der Künstler fortführen, seine Musik karitativen Zwecken zu widmen. Seine hervorragende Musik, um dies nicht zu vergessen!