Von Matthias Bosenick (28.04.2025)
Da wären Oak aus Oslo gern nahe an Opeth, klingen aber eher nach Seal, und zwar dem zu Zeiten von „Kiss From A Rose“, insbesondere mit dem mehrstimmigen Gesang zum sanften Kunstpop. Diese Musik hält das vierte Album „The Third Sleep“ 43 Minuten lang durch, bis der Sänger dann endlich mal den schwelgerisch-versunkenen Betäubungs-Prog durchbricht und losgrowlt, eben wie die Jungs von Opeth aus dem Land nebenan. Die sieben neuen Stücke dieses Albums sind fabelhaft komponiert, es gibt einmal mehr viel zu entdecken – doch so richtig hängenbleiben will das alles nicht.
Oak nutzen ihre Gitarren nicht, um hart zu sein. Hier bekommt man keinen Metal mit Riffs und Härte und Groove und sowas, hier bekommt man nicht mal richtig Progrock, das ist eher Art-Pop, obschon die vier Musizierenden hier streckenweise mit ordentlich Energie zu Werke gehen. Die generieren sie indes hörbarer mit Piano und Saxophon, gelegentlich mit Oboe und, in „Shimmer“, offenbar mit einer Klarinette, die dem Stück etwas Klezmer verleiht. Da darf die Gitarre dann sogar mal ganz kurz bratzen, aber wirklich nur kurz!
Diese vielseitig konstruierten Songs sind lang, wie bei Oak üblich, und entsprechend vielschichtig und in den Stimmungen wechselhaft. Wo sie nicht verträumt-schwelgerisch vor sich hin schunkeln, generieren sie Euphorie und Pathos, beinahe wie Ausbrüche, ohne dafür den Rock zu bemühen. Und was da nicht alles eingearbeitet ist: irische Rhythmen in „Run Into The Sun“ etwa, Streicher und Chöre, verspielte Frickeleien wie in „Shapeshifter“, in dem die Gitarre zudem einmalig gniedelnd solieren darf, oder ein einmaliges Riff wie in „Borders“, das indes nach kurzem Anschlag wieder vergeht; dafür hat das Stück ebenso einmalige Electro-Glitches im Angebot. In „Sensory Overload“ bekommt das Saxophon die Freiheit, wie im Free Jazz freizudrehen. Na, und in diesem Stück dann, anderthalb Minuten vor Schluss des Albums, darf die Gitarre endlich mal die Idee von Metal transportieren und die Stimme growlen, bis alles mit Saxophon verfeinert im All verhallt.
Nix gegen die Kompositionen, die sind gewiss toll, hier passiert eine Menge, und das Ergebnis ist nahezu zeitlos, man könnte es nur mit Schwierigkeiten einer Epoche zuordnen. Damit erinnert es etwas zu sehr an den omnipräsent nervenden Steven Wilson, wenn man nicht mit Prog-Klassikern als Vergleichen daherkommen möchte. Man kann indes die Stücke auch nur schlecht voneinander abgrenzen und konkrete Höhepunkte hervorheben, weil sie sich in ihren Stimmungswechseln mit ihrem grundsätzlich variablen Aufbau zu sehr ähneln. Selbst der genannte Ausbruch am Schluss kommt eher wie uninspiriert, wie unangekündigt, beinahe unpassend, und vergrößert lediglich die Enttäuschung darüber, dass man von Oak bereits anderes kennt.
Im Grunde war „The Quiet Rebellion Of Compromise“ vor drei Jahren bereits eine Art Vorstufe zu diesem Album, aber noch in sich besser abgrenzbar und mit weniger betäubender Gleichförmigkeit umgesetzt. Dennoch, besser als auf dem zweiten Album „False Memory Archive“ aus dem Jahr 2018 waren Oak nie, das übertraf selbst das Debüt „Lighthouse“ aus dem Jahr 2013 um Längen. Möglicherweise sind mit Watteausstopfung mehr Pokale zu gewinnen, aber für die, die an Ecken und Kanten mehr Freude haben als an Stoßfestigkeit, ist „The Third Sleep“ leider keine komplett überzeugende Erfüllung.