Von Matthias Bosenick (18.12.2018)
Warmweicher Progpop ertönt vom zweiten Album der norwegischen Band mit dem verwechselbaren Namen Oak. Unaufgeregt, und doch aufregend, gemessenen Schrittes, aber immer spannend, latent komplex, dabei überraschend eingängig: „False Memory Archive“ überzeugt auf ganzer Linie. Überraschend kerzenhelle Entdeckung für die dunklen, kalten Monate.
Mit dem Eröffnungsstück wecken Oak Erinnerungen an die unverzerrten Momente von Opeth aus dem Nachbarland Schweden, wenn die mal nicht growlen und sich auch eher dem Prog zuwenden, ohne aggressiv zu sein. Doch war’s das dann auch schon mit sich vordergründig aufdrängenden Assoziationen. Obschon Oak grundsätzlich eine Art von Rock machen, Artrock möglicherweise, ist ihr Sound dem Pop nie abgeneigt. Die Progressivität ihrer Stücke speist sich auch nicht aus irren Rhythmuswechseln oder vertrackten Melodieführungen, sondern sanftem Ausufern und trotz aller Behutsamkeit überraschenden Wendungen in den Stücken.
Und obwohl die Lieder recht lang sind und also das Radioformat deutlich sprengen, erfüllen sie doch den Tatbestand des Liedseins, weil ihre Struktur zwar häufig ungewöhnlich ist, aber immer nachvollziehbar und außerdem mit angenehmen Melodien versehen. Oak proggen also nicht um des schieren Proggens willen, sondern mit Verstand. Mit ihrem Anspruch überzeugen sie Schachtelhörer ebenso wie Geradlinige – da steckt Kunst drin.
Die Grundstimmung der Songs ist getragen, oberflächlich gehört erscheinen sie als langsam, aber achtet man auf das, was da im Hintergrund passiert, stellt man doch fest, welches Tempo die Band an den Tag zu legen in der Lage ist – und dabei sogar groovt. Auch das ist kunstvoll, schnelle Musik als langsam erscheinen zu lassen. Ebenfalls zur Grundstimmung gehört eine gewisse Dunkelheit, die Oak nie ins Gruftige ausreizen; nicht zuletzt die warme, leicht soulige Gesangsstimme trägt zu diesem Eindruck bei. Nicht minder überraschend ist die Wahl der Instrumente: Das Saxophon hat zwar einen schlechten Ruf, doch wie immer gilt, dass nicht das Medium per se schlecht ist, sondern die Art des Einsatzes, und Oak flechten das Saxophon so gekonnt in einen Track ein, dass es nicht kitscht, sondern angemessen abdunkelt.
Auf „False Memory Archive“ hat sich wie auf dem Debüt ein Gast eingeschlichen: Bjørn Riis von der norwegischen Progband Airbag. Oak-Gitarrist Ole Michael Bjørndal indes hat die Band offenbar rund um den Veröffentlichungszeitraum verlassen. Laut Infotext entstammt die Ur-Besetzung des Quartetts übrigens einem Folk-Duo. Die Musiker bringen so unterschiedliche Richtungen mit wie Klassik-Klavier, Electronic, Hard Rock und Prog Rock – das hört man „False Memory Archive“ auch an (sie zitieren zum Beispiel Debussy!).
Vor fünf Jahren veröffentlichten Oak ihr Debüt „Lighthouse“. Der Bandname indes ist zwar hübsch, aber bereits mehrfach vergeben; bei Discogs sind sie Oak (22). Wer übrigens Ähnlichkeiten zu Pink Floyd zu Dark-Side-Zeiten oder Steven Wilson heraushört, hat erklärte Vorbilder der Band zwar erkannt, aber liegt mit der grundsätzlichen Beschreibung des Sounds doch nicht so ganz richtig – Oak sind weit eigenständiger. Und besser!