Von Matthias Bosenick (16.05.2013)
Das Thema ist gut und wichtig und sicherlich nicht zufällig heute gewählt (wenngleich unglücklicherweise wahrscheinlich jederzeit die richtige Zeit dafür ist): Die Geschichte von dem Werbefilmerteam, das in den 80er Jahren mit 27 fünfzehnminütigen Werbefilmen die Bevölkerung davon überzeugen soll, gegen Diktator Augusto Pinochet – also mit „No“ – zu stimmen, und damit auch Erfolg hat. Wünscht man sich jederzeit möglich, auch heute. Friedliche Revolution mit Erfolg, das verhasste System gekippt. Der Film wäre allerdings wirkungsvoller, wenn er nicht so zäh wäre und sich nicht stilistisch so pseudo-experimentell auf 80er getrimmt ausgenommen hätte.
Denn „No“ ist in 80er-gemäßer VHS-Videoästhetik mit wackeliger Handkamera und abrupten Schnitten gedreht. Letzteres wiegt nicht so schwer, ersteres schon: Da der Sound in Dolby-Surround gehalten ist, gelingt der VHS-Effekt nicht; da ist der Stil inkonsequent. Zudem ist es eine dem Inhalt eher unangemessene Spielerei. Und: Es lassen sich die im Film gedrehten VHS-Clips nicht vom Restfilm unterscheiden, was die Handlung insbesondere anfangs teilwesie schwer durchschaubar macht.
Denn man hat als Europäer nicht unbedingt die Geschichte Chiles vor Augen und kann sämtliche Aussagen, Handlungen, Argumente und Haltungen der Protagonisten nicht ad hoc in einen Kontext und damit die Figuren in eine schlüssige Konstellation bringen. Mit der Zeit kommt man aber auch in die abgehackte Erzählweise hinein und kann sich in die linksgerichtete Haltung der 80er Jahre zurückversetzen, wie man sie ähnlich von Älteren auch aus anderen Gegenden der Welt erzählt bekommen, sofern nicht selbst erlebt hat.
Die Geschichte nun geht so: Die Opposition des Diktators Pinochet hat erwirkt, dass das Chilenische Volk mit „Si“ oder „No“ abstimmen darf, ob Pinochet weiter im Amt bleibt oder nicht. Dafür erkämpften sich die Oppositionellen an 27 Tagen jeweils 15 Minuten Sendezeit im staatlich kontrollierten Fernsehen, um für das „No“ zu werben. An sich glaubt niemand an eine faire Wahl, dennoch will die Opposition die Chance nicht verstreichen lassen. Dafür heuern die Oppositionellen den erfolgreichen Werbefilmer René Saavedra (Gael García Bernal) an. Der arbeitet indes für einen Chef, der eher auf der „Si“-Seite steht. Heimlich scharen die Linken lauter Profis um sich und entwickeln ein Konzept mit durchschlagendem Erfolg: Anstatt wie zunächst geplant die Gräueltaten Pinochets aneinanderzureihen, zeigen sie ein positives Chile, wie es ohne Diktator aussehen könnte. Pinochets Strategen reagieren darauf in ihren zunehmend weniger überzeugenden „Si“-Filmen. Am Ende steht der Machtwechsel in Chile und damit der Erfolg für eine gewagte Kampagne.
Eine fantastische Geschichte. Wenn verhasste Systeme doch nur immer so einfach und gewaltfrei (abgesehen von der Gewalt des Regimes) ablaufen würden. Wenn doch das vorherrschende System in Deutschland speziell sowie in Europa und dem Rest der Welt allegmein so einfach abzusetzen wäre. So ist „No“ ein besipielhaftes wahres Märchen.
Schade nur, dass der Film so zäh ist. Zwei Stunden sind zu lang, es ist zu viel enthalten, was die Handlung ausbremst. Die vergurkte Liebesgeschichte von René nervt, hinter die Trennungsgründe kommt man nicht, dabei wären die auseinandergehenden Ansichten der an sich Gleichdenkenden für das Verständnis der Opposition in Chile vermutlich programmatisch und somit für den Film opportun. Richtig Spannung mag leider auch nicht aufkommen, weil keine Aktion für irgendwen einen Nachteil hat, abgesehen von einem Polizeieinsatz und permanenter Beobachtung. Alles gelingt, auch die Gegner gehen gut miteinander um, Pinochet stürzt, die Handlung flutscht nur so, aber das spröde. Trotzdem, die Geschichte ist gut und es wert, erzählt zu werden.