Von Matthias Bosenick (19.11.2012)
Unbestritten sind Neurosis der Impulsgeber für viele, wenn nicht sogar alle Bands, die seit Mitte der 80er irgendeine Musikrichtung wie Sludge Metal, Post Rock, Doom Metal, Slow Core, Dark Ambient, was auch immer spielen. Also: irgendwie heavy, aber schleppend, repetetiv, malmend, brachial, brutal, und doch mit filigranen Einsprengseln durchsetzt. Neurosis rammten Monolithen in die Musiklandschaft – und da wundert es schon, dass das zehnte Album „Honor Found In Decay“ so widerhakenlos am Hörer vorbeidröhnt.
Die sieben Stücke erwecken den Eindruck, sie seien nicht komponiert worden, sondern beim Jammen entstanden. Neurosis haben halt so viel Erfahrung, dass sie einfach im Studio loslegen können und es entsteht automatisch Musik in ihrem eigenen Sound. Das nimmt man „Honor Found In Decay“ auch ab: Da sitzen versierte Leute an ihrem Instrumentarium. Doch bleibt es auf dem Album bei der aus dem Ärmel geschüttelten Routine, Neurosis ergänzen sie kaum um etwas Neues, Wiedererkennbares. Zwischenzeitliche Momente der Stille sind noch kein herausragendes kompositorisches Element.
Immerhin erzeugen Neurosis eine Atmosphäre, und zwar diejenige einer unbestimmten Dringlichkeit. Man verspürt Unruhe, irgendetwas nagt am Hörer, eine vergessene Verpflichtung, eine gesellschaftliche Verantwortung, weiß der Geier. Vielleicht auch nur der Drang, nach Ablauf des einstündigen Werkes wieder auf den fünf Jahre zuvor erschienenen Vorgänger „Given To The Rising“ zurückzugreifen, der so viel mehr Hooks und fast Hitpotential hat als das neue Album. Das übrigens Steve Albini produzierte. Aber man kann sagen, was man will: An Neurosis‘ Thron rüttelt immer noch niemand.