Näcken Du Naon – All The Past Horsed Lights – Antibody 2024

Von Matthias Bosenick (05.07.2024)

Schieben wir mal den Fakt beiseite, dass das Brüsseler Duo Näcken Du Naon seine Veröffentlichung „All The Past Horsed Lights“ mit einem Zitat des menschenverachtenden Arschlochs Aleister Crowley begleitet: Die Musik auf diesem kaum halbstündigen Debüt ist nur wenig als solche zu bezeichnen, Eric Desjeux und Alban Mercier experimentieren erstmal mit ihren digitalen Klangerzeugern, Samplern und sonstigen Gerätschaften herum, um düstere Räume zu schaffen, bis sie im dritten von fünf Tracks erstmals einen Rhythmus finden. Unbequem und eindrucksvoll, weit weg von gewöhnlichem Industrial oder gar Synthiepop, eher noch verwandt mit Neunziger-Warp-Acts wie Autechre, nur auf ihre Weise radikaler.

Wenn man schon Industrial als Verweis heranziehen will, dann allerhöchstens solchen, wie ihn SPK auf „Leichenschrei“ veranstalteten – ohne Beats und Rhythmen, mit dunkel drückenden Samples, verfremdeten und verbogenen Sounds, dazu moderne Glitches, zerhackte Sprache, keine Konturen. Die treten erst im dritten Track auf, da unterfüttert ein Rhythmus die Samples, es klingt so abstrakt wie Autechre, nur bedrohlicher. Im vierten Track pulsiert ein Bass wie zu Pionierzeiten solcher Experimentalmusik, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, nur dass hier noch eine Till-Brönner-Trompete dazukommt und die beklemmenden Sounds mit verwirrender Schönheit garniert. Der letzte Track wird dann beinahe versöhnlich: Zu dunklen Ambient-Drones, die das Gemüt beruhigen, erklingen zwitschernde Sounds wie von digital generierten Tieren, in deren Habitat man sich nur ungern aufhalten würde.

„Magick is the Science and Art of causing Change to occur in conformity with Will“, schreiben Näcken Du Naon auf ihrer Bandcamp-Seite, und verweisen auf AC, und auch ohne das Zitat zu kennen, ist klar, dass es sich dabei nur um Aleister Crowley handeln kann. Schlimm genug, dass man sich 2024 noch immer auf diesen Vollhonk beziehen muss, das ist so Achtziger, so pseudo-verwegen, so kindisch, so rückschrittlich und so menschenverachtend. Aber nun, hier existiert also Musik, die von Crowleys „Okkultismus“ inspiriert ist, und man kann nur raten, ob die auch ohne den Bezug so ausgefallen wäre. Wie auch immer, die akustische Reise ist ein spannender Trip, der sich entwickelt, steigert und wieder beruhigt, eine Dramaturgie, der zu folgen trotz aller Sperrigkeit leicht fällt.

Die beiden beteiligten Musiker haben bereits stapelweise Einträge in der Belgischen Szene. Alban Mercier nennt sich Officium, bisweilen auch Criminal Officium, und betreibt außerdem die Projekte Ended und Geoid Color Circle. Eric Desjeux ist eher bekannt unter dem Pseudonym TZii und nebenbei Mitglied bei unzählbaren Bands und Projekten, darunter ¡Duflan Duflan!, Da Karimoon Niggaz, MS30, Paroxysm Of Anxiety, Solar Skeletons und The Naked Sun. Als Gast ist bei zwei Tracks die Schweizer Sängerin Lou Savary vom Duo Reymour beteiligt, für das passende Artwork verpflichteten Näcken Du Naon Olga Fedorova, die gern dystopische und verstörende Bilder generiert.