Murder At The Registry – Notsorry – Murder At The Registry 2014

Von Matthias Bosenick (11.03.2015)

Wie aus dem Nichts ist es da: Das seit sieben, acht Jahren unveröffentlichte Album „Notsorry“ von Murder At The Registry, Braunschweigs berühmtester Gothic-Rock-Band. Zumindest als CDr macht Sänger und Bandchef Tom Stach alias Tomasz das Werk nun zugänglich, mit der Option auf eine offizielle Veröffentlichung. Ein Schicksalsschlag hatte die Bandaktivitäten 2007 torpediert und stillgelegt, doch seit einiger Zeit ist Tomasz wieder mit neuen Mitstreitern unter dem Banner Murder At The Registry unterwegs – in diesem Zuge will er auch „Notsorry“ nicht länger zurückhalten. Der Hörer soll nun wissen: Das ist auch gut so, denn Freunde klassischen Gruftrocks mit Schlagseite zum Post Punk werden hier klischeefrei mit zumindest für sie überwiegend neuem Material von hoher Qualität bedacht.

MATR gibt es seit Ende der 80er und gehören damit zur zweiten Welle der (britisch geprägten) Gothicrocker, was bedeutet, dass die Musik weniger als die erste Welle von Bands wie Pink Floyd, Roxy Music, Led Zeppelin oder David Bowie beeinflusst ist, sondern von eben der ersten Welle, also von Vorreitern wie Fields Of The Nephilim, The Sisters Of Mercy, The Chameleons, Joy Division und Bauhaus, ganz abgesehen von The Skeletal Family, The March Violets oder Specimen. Genau da setzt auch „Notsorry“ an. Das Album geht von der Grufthaltung her klassisch los und bleibt über 13 Tracks klassisch. Es klingt eher nach den frühen 90ern als nach 2009, dem laut Booklet letzten Stand der Produktion, oder gar 2014, dem Jahr der Erstveröffentlichung. Nun gibt es solch konsequente Stilsicherheit heute – außer bei den alten Bands vielleicht – gar nicht mehr, also ist „Notsorry“ nicht trotz seiner Rückwärtsgewandtheit ein großartiges Album, sondern genau deswegen, und beileibe keine schnöde Nostalgieschau.

Die 13 Songs sind dicht und druckvoll arrangiert, von der im Cover entschuldigend aufgeführten Fehlerhaftigkeit ist nichts wahrzunehmen, vielmehr klingt das Album womöglich genau deshalb umso authentischer. Alles richtig. Tomasz und seine vielen Mitmusiker bedienen aufs Angenehmste die Erwartungen: dunkle Grundstimmung, deshalb nicht zwangsläufig lahm oder schleppend, sondern – wie gesagt – druckvoll, tiefe, manchmal pathosschwere, manchmal aggressive Stimme, dominanter Bass mit dezent zum Groove neigendem Eigenleben, Gitarren zwischen Flanger, Fläche und Flächenbrand, nicht einfach nur den Takt definierendem Schlagzeug, das erfreulich oft in wilde Kapriolen verfällt, und einem die Atmosphäre tragenden Keyboard. Ein Drumcomputer à la Dr. Avalanche von den Sisters gehört natürlich zum Sound, weniger wiederum Akkordeon und Geige, die in „Half A Man“ aber umso besser passen; besonders jener Song ist ein Beleg dafür, dass das Genre in seiner Ausrichtung dem Künstler unterliegt und nicht umgekehrt.

Dazu passt auch, dass sich die Kompositionen und Arrangements trotz der grundsätzlichen Schubladenzugehörigkeit oftmals genau daraus befreien. Nicht jeder Rhythmus ist typisch Gothic Rock, links und rechts davon liegen Seemannslieder, Heavy Rock, ähm: Pop und anderes Artfremdes. Das lockert die Songs auf, das macht das Ergebnis attraktiv und hörenswert und unterscheidet es vom banalen Epigonentum. Es wäre ein Verlust gewesen, hätte Tomasz seine Schublade nicht geöffnet und dieses Album daraus hervorgeholt.

Übrigens, so ganz unveröffentlicht sind die Songs im Einzelfalle nicht, so war „Your Pagan Heart“ 2004 auf der ersten „Pagan Love Songs“-Compilation enthalten, auch „To Some Angels“ und „Walls Come Down“ fanden sich schon auf Szenesamplern. So verfuhr Tomasz mit MATR schon immer; das Debüt-Album „Filed: ’93-’03“ versammelte nicht nur CDr-Tracks, sondern ebenfalls viele Samplerbeiträge. Bleibt zu hoffen, dass es für „Notsorry“ (übrigens mit angenehm ungruftigem Coverartwork von Pott) auch bald eine offizielle Veröffentlichung gibt – in der vorliegenden Fassung, die ist gut.