Von Matthias Bosenick (11.12.2024)
Mit ihrem mit einem Jahr Verzug erschienenen Debüt „Faces“ überrumpelt die selbsternannte One-Woman-Band Moonya aus der Normandie ihre Hörerschaft: Vorab lässt Amandine Fontaine-Rebière nämlich wissen, dass sie die Songs allein und auf Basis von Loops erstellte, startet das Album auch artig mit einem chillig-minimalistischen Electro-Chanson – und klingt dann bereits im dritten Lied wie eine komplette Band. Diese Spannweite behält sie über das gesamte Album hinweg bei, kreiert damit verträumte, gleichwohl kraftvolle Lieder, elektronisch grundiert, mit allerlei weiteren Instrumenten erweitert und gelegentlich energetisch aus sich herauskommend.
Wie auch Matt Johnson oder Misha Chylkova gelingt es Fontaine-Rebière, ihre Loops so zu gestalten, dass sie nicht wie monotone Störtöne die Musik überlagern, sondern als Basis für fein ausgearbeitete Songs dienen. Für „Ma nuit“ als Opener bleibt sie noch ambientartig-elektronisch, das etwas irreführend betitelte „Silence“ beinhaltet bereits vertrackte Electro-Beats zum Hauchen und zu den Soundscapes, die der Musik inneliegende Kraft steigert sich. Hin zu „Shining“, das mit einer verhallten Gitarre beginnt und in einen Dreampop-Shoegaze-Track übergeht.
Diesen Spagat behält Fontaine-Rebière fortan bei. „I Am Somewhere Else“ ist wieder ein zurückgenommenes Electro-Ambient-Popstück mit verhaltenen Beats, „Emportée“ ist sogar noch reduzierter, aber bekommt ein Synthiepop-Keyboard drübergelegt. „Le cerde“ ist wieder etwas voller, im Sound und im Gesang, hier fährt Fontaine-Rebière ihren Fuhrpark zu einem melancholischen, raumgreifenden Wave-Synthiesong hoch. „Pensées“ hat etwas von einem verhuschten Folksong. Dann generiert Fontaine-Rebière für „Emergency“ plötzlich einen voll instrumentierten Glamrock und singt dazu, wie man es von manchen verträumten, aber ausdrucksstarken Däninnen kennt, etwa von Speaker Bite Me oder Under Byen; nicht vergleichbar indes ist Moonya mit einer weiteren Dänin, die ihrerseits als One-Woman-Band agiert, nämlich Myrkur, die ist schließlich vom Black Metal ausgehend komplett anders ausgelegt.
Und dann macht Fontaine-Rebière aus „Save Me“ plötzlich einen IDM-Drum-And-Bass-Electro-Track, indes weiterhin im gedrosselten Tempo, so dass die harschen Beats eher trippig erscheinen. Dazu singt und spricht Moonya und erzeugt abermals eine neue, eigene Stimmung, die das Gesamtbild erweitert. Der Rauswerfer „La face du jour“ kehrt zurück zum elektronischen Minimalismus, um sich final in eine Art Soundrausch hineinzusteigern.
Zwar ist „Faces“ Fontaine-Rebières Debüt-Album als Moonya, doch ist sie schon weit länger musikalisch aktiv. 2003 gründete sie mit David Fontaine das Duo Aña, mit dem sie zwei Alben und eine EP veröffentlichte. Seit 2013 agiert die Normannin auch solo, vorrangig live, denn sie generiert diese zarten bis harten Songs eben auch auf Bühnen, mit Loops und Pedalen, auf denen sie ihre Lieder errichtet. 2015 erschien ihre erste EP „Heaven“, erst 2017 die nächste EP „Eye“, 2019 als drittes „Golden Tree“, und ihr Aña-Gefährte Fontaine ist an den Solo-Sachen als Mixer, Masterer und Arrangeur weiterhin beteiligt. Angekündigt war „Faces“ bereits für den Herbst 2023, aber gut Ding und so, auch im Winter 2024 passt diese trippige, zerbrechliche, dennoch kraftvolle Musik stimmungsmäßig noch bestens.