Von Matthias Bosenick (29.05.2014)
„Höllenglöcken“ ist das Mittelstück in der „Jungsmusik“-Trilogie, die Goehre im kommenden Jahr mit „Straßenköter“ abschließen will. Im Zentrum steht Metal-Fan Torben, der – anders als die meisten anderen Menschen der Welt – doch recht viel recht richtig macht, mit gelegentlichen dramaturgisch motivierten Ausfällen. Diese Geschichte eines Heranwachsenden auf dem Weg ins Eheglück wäre womöglich recht beliebig, hätte sie Goehre, selbst aus der Szene stammend und in ihr aktiv, nicht im Metal angesiedelt. So orientieren sich die Geschehnisse zwar am gesellschaftlich Normalen, weichen aber in politischen und kulturellen Bereichen in Richtungen ab, die dem Randgruppenangehörigen nahe stehen, die dessen Realität besser auffangen als jede andere Liebesgeschichte und die dadurch auch noch von Leuten nachempfunden werden können, die einer anderen Randerscheinung als dem Metal angehören.
Interessanterweise ist der zweite Band sogar besser als der erste. Der Autor lässt die Figur deutlich seltener in einer Art peinlich sein, die den Leser vor Fremdscham schnell weiterblättern lässt. Sicher, das Ergebnis ist dadurch eher Feelgood-Literatur auf Metal-Niveau, aber hey, das tut doch auch mal gut. Und gibt es so einfach noch nicht.
Der Autor lässt Torben in einer Agentur arbeiten, die ihn damit beauftragt, die Webseite für das weltgrößte Metal-Label „Nuclear“, Entschuldigung: „Atomic Blast“ zu kreieren. Das ist sicherlich der feuchte Traum eines jeden Fans, Goehre bedient ihn schamlos, mit allen dazu erdachten Annehmlichkeiten (Sabaton-Konzert!). Zudem hat Torben obgleich durchgeknallte, so doch coole und loyale Freunde und die Fähigkeit, auch in der Fremde beim Saufen unter Langhaarigen mithalten zu können. Klingt wie ein perfekter Typ.
An Dramaturgie kommt der Tod von Torbens bestem Freund Sven ins Spiel, den Goehre in der Folge als Vision weiter mitspielen lässt. Darauf lässt man sich gerne ein, nicht zuletzt, weil die damit verbundenen Gags gut sind. Zwischen den Kapiteln sind Auszüge aus dem Drehbuch zu einem Zombiefilm zu lesen, den die Metaller nebenbei drehen und der von der ausgezeichneten Idee geprägt ist, dass Zombies durch Kaffee zu unberechenbaren Gegnern werden. Und natürlich gibt es Lucy, das erklärte Lustobjekt des ersten Bandes: Torben und sie wollen nun heiraten. Versehentlich.
Dabei gelingt es Goehre überzeugend, Metal-Elemente in den von Nicht-Spießern als sehr spießig empfundenen, aber auch von ihnen nicht wegzuignorierenden existenten Alltag einzubinden. Das allerdings auf eine ausgesprochen zynische, humorvolle, kritische Art. Goehre rekrutiert seinen tadellosen Humor dabei nicht allein aus guten erzählerischen Einfällen, sondern auch aus einem bemerkenswerten Wortwitz. Dabei geht er natürlich auch mit seinem Nerdwissen über Metal hausieren, übertreibt es aber nicht. Mit „Höllenglöcken“ qualifiziert sich Goehre als großartiger Erzähler, auch abseits vom Nischenthema.
Als Bonus gibt es sechs Kolumnen aus dem Metal-Magazin „Legacy“. Die kann man sich bestens von ihm auf Lesebühnen vorgetragen vorstellen.