Von Matthias Bosenick (11.06.2018)
Kaum zwei Alben im gleichen Sound, und doch immer am Sound wiedererkennbar: Das nicht mehr ganz so junge neue Album „Impossible Star“ zeigt Meat Beat Manifesto von einer rein elektronischen, beinahe klinischen Seite, inklusive der typischen zwischengestreuten Geräusche, mit denen Jack Dangers seine Arbeiten so gern anreichert. Man fühlt sich also in „Impossible Star“ sofort zu Hause, vermisst aber die guten analogen Instrumente und die wuchtigen Beats der jüngeren Zeiten. Egal, über 30 Jahre aktiv und immer noch relevant, einflussreich und unkopiert.
Es fällt schon immer schwer, die Musik von Meat Beat Manifesto in konkrete Genres zu sortieren. Aktuell erinnert der Sound eher an Minimal-Electro, vielleicht mit einem Schuss reduziertester House-Musik, also grob gesagt IDM, aber wer jetzt einen konkreten Sound dieser Art im Kopf anschaltet, erfasst „Impossible Star“ doch nicht. Dangers belässt es nie dabei, vorgegebene Stilelemente einfach nachzuspielen. Dafür ist er viel zu experimentierfreudig und unangepasst. Seine Apparaturen sind nämlich auch dazu da, schräge Geräusche zu erzeugen oder die knappen Melodien in Schieflage zu bringen. Strenggenommen müsste man zur anschaulicheren Beschreibung den Industrial-Stempel auspacken, aber den mit Bezug auf den europäischen, der auf Maschinen basiert, nicht auf den US-amerikanischen, der Gitarrenelectro meint. Doch so harsch wird Dangers auch wieder nicht (und dennoch arbeitete Dangers vor 20 Jahren mit Trent Reznor zusammen).
„Impossible Star“ will keine Erwartungen erfüllen, etwa die an Minimal-Techno. Deshalb füttert Dangers das Album zusätzlich zu den Noisesounds mit Ambientpassagen an, mit überraschenden Breakbeats und mit Dubeffekten, also lauter Elementen, die man von ihm bereits jahrzehntelang kennt (und an denen sich Bands, die größer wurden als MBM, orientierten, etwa die Chemicals Brothers und The Prodigy). Und doch, es fehlt etwas von der organischen Tiefe, die MBM grob vor zehn Jahren noch hatten, zum Beispiel mit den „Center“-Veröffentlichungen und der sehr freien Version von Jazz, die Dangers darauf auslebte. Der Jazz ist jetzt eiskalt, weil rein elektronisch; daran muss man sich erst gewöhnen.
Andererseits kündigten MBM diese Entwicklung ja bereits 2015 an, und zwar mit der „KASM 2.2“-EP, von der „Nocebo“ und in erweiterter Form „Lurker“ (hier als „Lurkers 1-3“) auch auf dem Album enthalten sind. Die drei Stücke der ein Jahr später erschienenen „Tour EP 2016“ wiederum sind gar nicht berücksichtigt, dafür nimmt „Synthesizer Teste“ inhaltlichen Bezug zur „Test EP“ von 2012 (nicht musikalisch, da das Live-Schlagzeug ja fehlt) und direkt zu „Synthesizer Test“ von der Compilation „Archive Things“ von 2007.
Als Sidekick hat Dangers dieses Mal nur eine Person: Ben Stokes, der schon unter dem Alias The Forger im Rahmen der „Test EP“ mit Dangers aktiv war. Die weiteren MBM-Nebenprojekte aufzuzählen, sprengte jetzt überdies den Rahmen. Wie auch immer Jack Dangers sein Meat Beat Manifesto angeht: Er treibt seinen Gaul voran, und stets in unerwartete Richtungen.