Von Matthias Bosenick (04.06.2024)
Welche Musik machen Meanwhile Project Ltd eigentlich nicht? Also, nicht nur pro Album, sondern gleich pro Song? „Sir Mandrill“ ist das vierte Album des Kölner Duos, das sich hier von einer Handvoll Gästen unterstützen ließ, um diese Mischung aus Power-Pop-Balladen, verschachteltem Indierock und harmonischem Folk umzusetzen. Wie sie alle ihre schier grenzenlose Stilvielfalt behutsam und ohne Posen in einen sinnhaften Fluss lenken, beachtlich! Hinhörmusik, die gelegentlich zum Mittanzen auffordert.
Man kann das alles gar nicht so richtig erfassen, was Meanwhile Project Ltd hier zusammenfügen, überall passiert etwas, aber, und das ist die Kunst, nichts davon überfordert, es ergänzt, fügt hinzu, rundet ab. Hier ein regelmäßig wiederkehrender Kratz-Sound im Melodiehimmel, dort eine Flöte zur Akustikgitarre, dann ein bei Ben Folds ausgeborgtes Boogie-Piano im Rockgewand, plötzlich Chorharmonien („Bob Ross“). Und das war erst Track eins! Nee, nicht ganz so, aber die Platte ist voll von Einfällen – und jeder Song für sich ebenfalls schon. Wie sich aus einem Achtziger-Song mit Chris-Rea-Anlehnung eine wehmütige Bratzgitarre herausarbeitet („Without Any Diving Suit“) oder wie ein minimalistisches Kammerstück erst zu einem Discosong und dann zu einer Pop-Ballade wird („Catch-22“). Die spinnen, die Kölner.
Teil dieser druckvollen, aber unbrutalen Rockmusik sind Klaviere, Flöten, Trompeten und Streicher, Synthies sowieso. Der Kern des Projektes sind Marcel Birreck und Marcus Adam, die sämtliche Songs verfassten. Für ausgewählte Passagen luden sie sich Gastmusiker dazu: Tim Kühnert spiel Kontrabass, Muriel Bonn Cello, Louise Ullrich Geige und Christoph Gantefort Trompete. Alles Nichtgenannte kommt dann wohl von den Chefs, und die können was: So ein agiles, lebendiges Schlagzeug fällt sofort positiv ins Ohr, und der Gesang ähnelt an mancher Stelle dem von Paul Weller, und dazu passt dann bisweilen auch die Musik. Man kann das Projekt schlecht kategorisieren; trotz Weller-Anleihe und mancher Beatles-Harmonie ist Britpop nicht zulässig, trotz Flöte passt Folkrock nicht.
Der Totenschädel auf dem Cover von „Sir Mandrill“ passt ein wenig zur Stimmung, denn die Stilvielfalt nutzen Meanwhile Project Ltd nicht zum fröhlich-ausgelassenen Tirilieren, auch wenn der Genuss der Musik die Hörenden dazu anregt. Das passt zum Inhalt, den die Band der eher unschönen Gegenwart entnimmt und sich daraus folgernd die Frage stellt, was den Menschen überhaupt definiert. „Sir Mandrill“ ist das vierte Album seit dem Debüt 2008, davor veröffentlichte das Duo bereits 1999 ein Album als Lunatic Skydance – und zwar mit Stoner Rock. Jenes „Electronicmotorcontrol“ erhielt vor zwei Jahren erstmals eine Vinyl-Version.