Von Guido Dörheide (05.11.2024)
Die MC5 aus Detroit, jenem Wolfsburg in Michigan, haben der Musik trotz deutlich dünnerem Outputs bestimmt ebenso ihren Stempel aufgedrückt wie die Ramones aus New York City. Erstere haben mit „Kick Out The Jams“ 1969 dem Punk Rock den Weg bereitet (zusammen mit dem im selben Jahr erschienenen selbstbetitelten Album der Stooges aus dem benachbarten Ann Arbor), zweitere haben ihn dann auf virtuos-dilettantische Art perfektioniert. Beide Bands haben außerdem gemeinsam, dass keines ihrer Mitglieder mehr lebt. Bezogen auf die MC5 bedeutet das: Sänger Rob Tyner und Gitarrist Fred „Sonic“ Smith sind bereits in den 90ern verstorben (1991 und 1994), Bassist Michael Davis 2012 und Schlagzeuger Dennis Thompson und Gitarrist Wayne Kramer beide in diesem Jahr.
Der Ausnahmegitarrist und ehemalige Rauschgiftverkäufer Kramer war es auch, der dafür gesorgt hat, dass mit Unterstützung des Alice-Cooper-Produzenten Bob Ezrin posthum noch 53 Jahre nach dem letzten Studioalbum „High Time“ (das war das mit dem vielgecoverten Hit „Poison“) noch ein letztes MC5-Studioalbum erscheinen konnte. Es wäre auch absolut OK gewesen, wenn Wayne „Heavy Lifting“ als Soloalbum veröffentlicht hätte, aber mit ihm an der Gitarre und Thompson zumindest auf zwei Songs am Schlagzeug („Blind Eye“ und „Can’t Be Found“) ist es nun – dank Ezrins Überzeugungsarbeit – doch als MC5-Album erschienen. Und das passt. Das Album steht Kramers 90er-Jahre Soloalbengroßtaten wie „The Hard Stuff“, „Dangerous Madness“ und „Citizen Wayne“ in nichts nach und klingt tatsächlich so sehr nach MC5, wie es nach einem halben Jahrhundert überhaupt geht. Brad Books Gesang passt gut zu den von Kramers krachender Gitarre dominierten Songs, die alle irgendwo im blueslastigen Rock’n’Roll verortet sind, der legendäre Don Was bedient die Bassgitarre, Drummer Abe Laboriel hat bereits unter anderem für Paul McCartney gearbeitet, und dann ist da noch ein ganzer Haufen Gaststars: Tom Morello (Rage Against The Machine), Slash (Guns N’ Roses), William Duvall (Alice In Chains), Vernon Reid (Living Colour), um nur einige zu nennen.
Zusammen machen sie eigentlich genau die Art von Musik, die das Werk der MC5 und von Wayne Kramer immer ausgezeichnet hat, einzig das letzte Stück „Hit It Hard“ ist etwas mehr funky, und auch das ist toll. Highlight ist für mich das energiegeladene „Edge Of The Switchblade“ mit Duvall am Gesang und Slash an der Gitarre. Der Songtext zeichnet ein intensives Bild vom Leben der MC5 in den frühen Tagen und ist schon von Kramers Soloalbum „The Hard Stuff“ (1995) bekannt. Der Rest des Albums ist ebenso authentisch und mitreißend, brauchte bei mir aber etwas länger als „Switchblade“.
Mein Fazit: Wurscht, ob man hier von einem „richtigen“ MC5-Album sprechen kann oder eher von „Wayne Kramer und seine illustren musikalischen Gäste“, „Heavy Lifting“ zeigt, dass Kramer bis direkt vor seinem Tod nichts von seiner musikalischen Energie eingebüßt hat und jederzeit in der Lage war, die Hörenden mitzureißen – ein großartiges musikalisches Vermächtnis Kramers und ein würdiges Denkmal für die MC5.