Von Matthias
Bosenick (15.08.2019)
Bei Spirou gelernt: Parallel zur
Hauptserie gibt es von Lucky Luke nun auch One-Shots, hier „Hommage“
genannt, in denen fremde Autoren-Zeichner-Gespanne sich an dem
Westerncomichelden austoben dürfen. Den dritten Band gestaltet
Mawil, mit Flix einer der besten zeitgenössischen Comiczeichner aus
Deutschland, und wo jener bei seinem Spirou-Abenteuer eher
enttäuschte, überzeugt Mawil mit seinem Abenteuer vom Cowboy auf
dem Fahrrad auf ganzer Linie. Der Berliner behält den Geist der
Serie bei und bringt ganz viel eigene Seele ein – perfekt!
Weil Lucky Luke
nun mal so ist, wie er ist, wie Mawil ihn selbst sagen lässt, greift
er einem schwerbepackten Greenhorn unter die Arme und schützt den
Mann vor einem Verbrecherpaar, das ihm jenes Gepäck abnehmen will.
Bald stellt sich heraus, dass Lukes Schützling Fahrradfabrikant ist,
der seine neue Erfindung – ein Fahrrad heutiger Bauart – in San
Francisco bei einem Rennen gegen die unpraktischen Hochräder seines
skrupellosen Konkurrenten durchsetzen will. Auf der Strecke bleibt
bei dieser turbulenten Hetzjagd: Jolly Jumper.
Der Spagat
zwischen Serientradition und persönlichem Stil gelingt Mawil
ausgezeichnet. Sein Lucky Luke ist wortkarg, sagt aber auch mal
neudeutsch „och nö“, wenn er genervt ist. Er setzt sich für die
Unterdrückten ein, auch wenn es Anstrengungen erfordert, und scheut
jene auch trotz nachvollziehbaren Zögerns nicht. Zudem ist er in
allen Belangen, vorrangig im Schusswaffengebrauch, schneller und
genauer als seine Gegenspieler, egal, ob Kleinganoven, Indianer oder
Saloonschläger.
Zeichnerisch weicht Mawil natürlich von
dem Stil ab, den Lucky-Luke-Erfinder Morris ab 1946 etablierte. Die
liebenswert skurrilen Figuren tragen die typischen Mawil-Nasen, die
aussehen wie verdrehte Ziffern, und der Stil ist mitreißend
dynamisch, ohne allzu naturalistisch sein zu wollen. Bisweilen
erzählt Mawil die Geschichte ohne Worte, indem er panelübergreifend
die Figuren interagieren oder die parallelen Geschehnisse stattfinden
lässt. Wortwitz beherrscht Mawil aber auch, gern als blasse
Randsprechblase abseits der Hauptdialoge. Und obwohl es um
Verbrecher, Gewalt und Mordversuche geht, strahlt Mawils Geschichte
immer etwas Liebevolles aus, nicht nur in der Ausgestaltung, etwa
wenn er nebenbei die Spuren von Vorder- und Hinterrad an beiden
Seiten eines Kaktus‘ verlaufen lässt, sondern auch etwa im
Verhältnis zwischen der Titelfigur und ihrem sprechenden Pferd.
Zudem ist Mawil nicht nur im Western sattelfest. Er gibt einen
Fahrradschlauchreparaturleitfaden als Piktogramm, lässt den
Tarifwahnsinn der Bahn anklingen und zitiert in der Wüstensequenz
Salvador Dalí und die biblische Kreuzigungsszene in Golgatha.
Zuletzt gibt es wie bei der Originalserie einen Hinweis auf den
echten historischen Kontext.
Man kann Mawils Hommage als
überaus gelungen auffassen. Nach „Der Mann, der Lucky Luke
erschoss“ von Matthieu Bonhomme und „Jolly Jumper antwortet
nicht“ von Guillaume Bouzard ist dies die erste aus
nichtfrankobelgischer Feder. Damit tritt Mawil quasi die Nachfolge
seines Kollegen Flix an, der diese Premiere kürzlich bei Spirou
feierte und sich dabei viel zu sehr zurücknahm. Mawil spürt man die
Leidenschaft für sein Sujet an, er lebt seinen Einfallsreichtum aus
und verrät weder sich selbst noch die Serie. In diesem Zusammenhang
sei erwähnt, dass seine DDR-Kindheitserinnerungen unter dem Titel
„Kinderland“ mittlerweile als erschwingliches Taschenbuch
vorliegen. Ebenfalls grandios!