Maverick Persona – In The Name Of – NOS Records/MarraCult 2024

Von Matthias Bosenick (04.11.2024)

„Turn On The Good Music, Louder!“ empfiehlt das Duo Maverick Persona aus Apulien, und wer dies für dessen zweites Album „In The Name Of“ beherzigt, wird belohnt: Auf den elf neuen Tracks bilden die beiden Musiker eine so große Vielzahl an Genres und Stilen ab, dass man oberflächlich betrachtet meint, es mit mehreren Bands zu tun zu haben, und doch stülpen die beiden lediglich einen großen Hut über alles, der dann auch noch bestens passt. Schönes Chaos, Jazz, Folk, Psychedelik, Electro-Beats, Rap, Akustik-Ballade, Trip Hop, Drone, hier ist mehr drin, als manche in ihren Plattensammlungen haben, und doch ergibt es kein undurchmessbares Durcheinander. Das ist eine Kunst.

Mit dem Einstieg „Complete The Task“ bereiten Amerigo Verardi und Matteo Stefano D’Astora aka Deje. die Hörenden auf das Folgende vor: Der electrobeat-basierte Song wirkt chaotisch, ist dabei aber wunderschön. Sogar ein Saxophon findet freakigen Einlass, der Gesang dazu erinnert an Warren Suicide, so genervt und gelangweilt. Man ist erstaunt, wie das Durcheinander und die Schönheit harmonieren. „Somewhere We Have Landet“ greift das Elektronische auf, ist chillig, trancig, jazzig, und „Underworld Conspiracy“ könnte mit dem Sprechgesang auch von MC 900 Ft. Jesus sein. So viel Schönheit, so viele höchst spannende Effekte, inklusive unerwarteter Glitches!

Richtig über die Ufer tritt der Titelsong: Mit Trip Hop geht er los, entwickelt sich zur Ballade mit Akustikgitarre und dann zum Hippie-Folk, bekommt den Anschein der ganz alten wagemutigen dEUS-Alben und fügt dem Indie-Chaos einen Industrial-Anklang hinzu. Enorm vielseitig also, aber niemals stressig, man kann den Wechseln und Entwicklungen mit Leichtigkeit folgen. Mit rhythmischem Vinyl-Knistern und Streichern beginnt „Bite For Freedom“ und bekommt eine Sixties-Orgel dazu, wie man sie von 22 Pistepirkko kennt. „Is It Really All Over?“ könnte man als Rap-Ballade einsortieren, „Sirashka“ ist ein Chaos-Intermezzo. Dafür driftet „Where Are You“ zurück in den Jazz, unterlegt mit der relaxten Stimmung von Café del Mar, bald garniert mit Nervosität, Easy-Listening-Lounge-Chorgesang und der Anmutung von Filmmusik aus dem New Hollywood.

Mehr Psychedelik wagt das Duo mit „Try To Get The Sun“, das mit einem verlangsamten lateinamerikanischen Rhythmus zu elektronischer Chaosmusik und verhallten Vocals wirkt, als befände man sich in einem halbwachen Dämmerzustand. Den „Dreaming Laurel Canoyn“ noch verstärkt, das eigentlich eine Art Drone darstellt, wie der Atem der alten Sigur Rós, ein rauschendes Ambient. Mit der zitierten Empfehlung „Turn On The Good Music, Louder!“ endet das Album mit entrückten Flöten und trippigen Beats. Wer den Rat befolgte, sieht sich nun hoffentlich glücklich.

Wie schaffen die beiden das bloß, qualitativ derartig hochwertige Musik in so kurzer Zeit zusammenzubauen? Das klingt so detailliert, da müssen Jahre an Produktion drinstecken. Doch das Vorgängeralbum „What Tomorrow?“, das Debüt mithin, ist erst ein halbes Jahr alt. Und auch nur einer der beiden hat offenbar bisher Spuren in der Musikwelt hinterlassen: Zu Verardi aus Brindisi finden sich haufenweise Einträge, sogar bei Wikipedia; die ältesten Aufnahmen tätigte er mit Allison Run, es folgten Betty’s Blues, Lula, Lotus, The Freex sowie zahlreiche Zusammenarbeiten. Der etwas grimmig dreinblickende D’Astore hingegen ist auch als Deje., nur echt mit Punkt dahinter, kaum zu finden, abseits von Tracks, die er mit jemandem namens „o k h o“ erstellte. Als Maverick Persona nun bündeln sie Fähigkeiten, Kreativität und Energie zu einem wunderschönen Chaos.