Von Matthias Bosenick (19.03.2015)
Mehr Hörspiele! Auf Spotify lässt es sich angenehm kostengünstig in diverse Serien hineinhören, aus denen man dann Spreu und Weizen voneinander scheiden kann. Wer mit Detektivgeschichten, Verschwörungstheorien, Thrillern und Horror durch ist, hat die Möglichkeit, sich dem Weltraum zuzuwenden. „Mark Brandis“ steht dafür parat, und weil die Hauptserie auf alten Büchern basiert und man doch die Hörerschaft binden will, gibt es zudem als Prequel Herrn Brandis als Teenager in „Mark Brandis, Raumkadett“. Wer nun nicht SciFi-affin ist, sieht sich auch hier mit den genreimmanenten Untiefen konfrontiert. Diese muss man beiseiteschieben können, um die Geschichten goutieren zu können, und dafür gibt es einigen Anlass.
Einfach bei den neuen Folgen einzusteigen, empfiehlt sich hier wie auch in vielen anderen Serien nicht. Dank Spotify kann man die ersten Episoden beider Brandis-Serien ohne zusätzlichen Kostenaufwand hören; das sollte man zu seinem eigenen Vorteil tun. Zwar handelt es sich bei „Planetaktion Z“ um ein abgeschlossenes Abenteuer, aber es geschieht im Rahmen einer übergeordneten Realität, die in den ersten vier Episoden angelegt wird. Anders ist es bei der Teenagerserie um Brandis als Kosmosschüler, dort ist die Handlung fortlaufend; immerhin bekommt man eine nebulöse Zusammenfassung als Intro.
Science Fiction ist wie Fantasy ein Genre, dessen Realität auf Utopien beruht. Die Autoren haben die Freiheit, brenzlige Situationen zu generieren, aus denen die Helden einen Ausweg finden, indem sie ein Mittel anwenden, das der Autor flugs dazuerfindet; das geht, weil ja alles seinem Geiste entspringt und man keine gegenwärtigen irdischen Tatsachen berücksichtigen muss. Für Geschichtenfreunde, die auf Dramaturgie und Stringenz bauen, ist diese Form der Erzählweise enervierend. Spannung ist dadurch zufällig und redundant. Irgendein Kampfraumschiff mit irgendeinem Waffensystem kommt den Bedrängten zu Hilfe, jaja. Irgendeine Druckkammer kann mit irgendeiner Fernsteuerung ausgeschaltet werden. Irgendein Retter ist dank irgendwelcher neuer Chemikalien doch nicht so tot, wie die Bösen glauben. Langweilig.
All das gibt es auch bei Mark Brandis, zugegeben. Aber: Die Serie basiert auf einer Romanreihe von Nikolai von Michalewsky, 1931 in der Mark Brandenburg (ha!) geboren, die er unter dem Namen Mark Brandis in den 70er und 80ern schrieb. Er schuf ein Universum, das ab dem Jahr 2069 spielt (ein Vorteil für die Serie: Die reale Zeit hat die Utopie, anders als etwa „1984“ oder „2001“, noch nicht eingeholt) und in dem sich zwei gegnerische Staatengebilde die Erde und die besiedelten Planeten teilen. Dazwischen sitzt ein neutraler Zusammenschluss, für den Brandis Raumschiffprototypen mit – natürlich – neu- und einzigartiger Technik testet. Zumindest ursprünglich: Schon in Folge eins gerät er zwischen undiplomatische Fronten und muss seine eigene Linie fahren. Seine Lösung: Er wird „Partisan“, also eine Art unabhängiger Soldat, der für den Frieden eintritt und sich oftmals mit der Situation konfrontiert sieht, seine Freunde und Verbündete zugunsten der großen Sache hintergehen zu müssen. Der Autor thematisiert dabei irdische Probleme, die leider auch heute noch erhebliche Relevanz haben (ein furchtbarer Umstand, der allerdings dafür sorgt, dass die 30 bis 40 Jahre alten Geschichten noch heute funktionieren), wie Rassismus, Sündenbocksuche, Völkermord, Territorialkämpfe, Allmachtsgehabe, Diktatorentum und sogar Umweltzerstörung. Lässt man sich also wohlwollend auf die ganzen aktionistischen Raumschlachten ein, bekommt man zeitgemäße Problemstellungen mit einen humanistischen und taktisch mutigen, dabei stets menschlichen Fluggerätefachmann. Kann man das All nicht ausblenden, hat man sicherlich ein Problem mit der Serie.
Rein technisch gehören beide Brandis-Serien zu den zeitgenössischen Hochklassehörspielen. In Sachen Sprecherauswahl, Sound und Geräuscheinsatz kann sich Brandis mit Reihen wie „Gabriel Burns“, „Offenbarung 23“ und „Mord in Serie“ messen. Dem Vielhörer fällt vielleicht auf, dass es durchaus Profisprecher gibt, die in ihrer Charakterdarstellung nur wenig Spielraum haben. In „Planetaktion Z“ klingt David Nathan als zweite Hauptfigur Grischa Romen etwas zu sehr wie der frühere T-Rex aus „Offenbarung 23“. Michael Lott hingegen als Titelheld hat vergleichsweise wenig Wiedererkennungswert, an ihn muss man sich erst gewöhnen; er strahlt den heldenhaften Chef nicht aus, was allerdings wiederum gut zur Rolle passt.
In „Planetaktion Z“ nun herrscht im Jahr 2136 eine Hungersnot auf der Erde. Nach einem Anschlag von Roma auf Präsidenten Harris (zu dessen Präsidentschaft höre man die ersten Folgen) finden blindwütige und auch staatlich organisierte Pogrome gegen Roma statt – und Grischa Romen gehört dieser Volksgruppe an. In der Tat, in Zeiten von Pegida ist diese 1983 erschienene Geschichte leider wieder aktuell. Entsprechend düster und beklemmend ist das gesamte Hörspiel.
Die „Mark Brandis“-Hörspiele halten sich nicht strikt an die Buchreihenfolge, daher stehen nur noch zwei Episoden aus. Am 10. April erscheint mit „Geheimsache Wetterhahn“ die 31. und vorletzte Episode. Mehr Zukunft mit Mark Brandis gibt es daher in der neuen „Raumkadett“-Reihe, in der der alte Mark Brandis als Erzähler seiner abenteuerlichen Jugend fungiert. Die Reihe richtet sich ganz offensichtlich an Kinder und Teenager, mit einem Mix aus „Wickie“, „TKKG“ und „Schreckenstein“ sowie „Star Wars – Episode I“. Die Grundgeschichte ist, dass der 15-jährige Brandis seinen Vater suchen will, der in einem Gefangenenlager verschollen ist. Dafür schmuggelt er sich in der ersten Folge als blinder Passagier in ein Raumschiff, das und dessen Besatzung er Wickie-artig mit mutigen Ideen aus den Fängen böser Unholde rettet. Dafür wird er als eigentlich viel zu junger Mensch als Raumkadett verpflichtet. Als solcher hat er in der jüngsten Episode nun Semesterferien. Mit seiner Clique diskutiert er Mathetests und Ferien, ganz wie Schüler es auch heute wohl tun; Identifikation gelingt da recht einfach. Mit einigen Lügen bringt er seine Peergroup dazu, mit ihm ein Reiseziel anzusteuern, an dem er seinen Vater vermutet. Hilfe bekommt er vor Ort von einem zwielichtigen Orientalen. Am Ende steht eine Bedrängnis, die erst in der nächsten Episode aufgelöst wird, für die es aber noch keinen Termin gibt.
Damit ist die „Raumkadett“-Reihe zwar spannend, bleibt aber deutlich kinderorientiert. In ihrer Qualität hält die Serie eher den Vergleich zu „Ein Fall für die Rosen“ als zu „Team Undercover“: Sie nimmt ihrer jugendlichen Hörer ernst und versucht nicht, sie plakativ zu belehren. Als Erwachsener indes bekommt man nicht zwingend einen Ersatz für die auslaufende Hauptserie. Da muss man als Hörspielfanatiker andere Quellen auftun. Oder wieder von vorne anfangen, es gibt ja auch noch viele unentdeckte alte Serien.