Von Matthias Bosenick (17.07.2017)
Ein Mixtape ist die Bezugsgröße für das neue Spoken-Word-Produkt von Lesebühnenautor und Slammer Marcel Pollex, jedoch keines nach Art der C90-Kassette, sondern des zeitgenössischen Hip-Hop-Podcasts. Der sieht vor, dass Tracks zusammengemixt werden aus unterschiedlichen Quellen, in unterschiedlichen Soundqualitäten und außerdem teilweise technisch verfremdet, und genau so macht es Pollex mit seinen mitgeschnittenen Leseauftritten und Studiosessions auch. Inhaltlich kommt er, um sich zu beschweren, also um das zu liefern, was man von ihm kennt. Neu ist hier eben die Darreichungsform, die sich vom klassischen Hörbuch abhebt. Spannend, auf beiden Ebenen.
Typisch für Pollex‘ Vortragsform ist die langgezogene letzte Silbe eines Wortes, das er auf diese Weise mit Ekel vor dem Inhalt versieht. Pollex mag die Welt nicht, wie sie sich selbst darstellt, und sagt ihr dies mit ihren eigenen Mitteln. Oft begibt Pollex sich dafür in die Metaebene, indem er sich im Wortlaut der Beobachteten über deren Beobachtungen aufregt und damit vorrangig seinen Unmut über ebenjene Personen zum Ausdruck bringt. Sympathisch an Pollex‘ herablassenden Tiraden ist, dass er sich selbst davon nicht ausnimmt. Sollte man eine Gattung benennen, fallen Pollex‘ Texte wohl noch am ehesten in die Satire mit Schwenkern in die Standup-Comedy. Themen können unter anderem sein: Männer beim Einkaufen, Sportlivekommentare transferiert auf einen Bankraub, Kunstkenner. Eine Narration ergeben die Themen zwar nicht, einen Spannungsbogen indes schon.
So weit zum Inhalt, jetzt die Form. Wie beim Hörbuch montiert Pollex die einzelnen Texte aneinander, doch anders als dort belässt er es nicht dabei: Er mixt sie bisweilen, analog zum Hiphop-Mixtape, das es wie „Me Marcel And I“ auch nur online gibt. Nicht alle Beiträge sind komplett enthalten, manche erfahren eine auszugsweise Wiederholung inmitten des Ablaufs, manche sind ausschließlich auf ein Schlagwort reduziert, manche sogar Fremdsamples, etwa von Otto Waalkes. Zudem verfährt er wie die modernen Hiphopper und verändert an mancher Stelle das Tempo seiner Lesungen von Schlumpf zu Doom; das ist zwar stilecht, birgt aber das gelegentliche Risiko, dass man den Text dann nicht mehr verstehen kann. Den Witz daran versteht man dann ja trotzdem. Als letztes Stilmittel lässt Pollex Sounds wie bei der Radiosendersuche zwischen den einzelnen Tracks ertönen. Mit alledem hebt sich dieser Mix von der altbekannten Darreichungsform des Hörbuchs ab, dessen sich die Satire nebst eines Livemitschnitts üblicherweise als Publikationsmittel bedient. Auf Beats wie beim Hip Hop indes verzichtet Pollex, dieser Art soll die Referenz nicht sein.
Und à propos Hip Hop: Titel und Cover des Podcasts erinnern an De La Soul, der Titel an den Radiohit „Me Myself And I“, das Cover an das dazugehörige Album „3 Feet High And Rising“. Doch gab es die dem Werk zugrundeliegenden Hip-Hop-Mixtapes im Jahre 1989 noch gar nicht, da führt die Referenz in die Irre, das aber angenehm. Ergibt in Summe ein launiges Experiment mit humorvollem Inhalt, also mehr als nur eine Formspielerei; das hat „Me Marcel And I“ manchem zeitgenössischen Hip Hop voraus.