Von Matthias Bosenick (08.07.2012)
Marc Domins zweites Buch ist brutal, sexistisch, rassistisch, vulgär, größenwahnsinnig. Und das sind nur die guten Eigenschaften. Wenn man den Autoren kennt, erweckt die vorliegende Textsammlung den Eindruck eines ausgelagerten Tourette-Symptoms: Auf der Bühne und in Buchform lässt er sein Alter Ego von der Leine. Der eigentlich sensible und auf eine entwaffnende Art ehrliche Sympath gewährt hier einen Einblick in seine Seele, der Unbedarfte erschrecken kann. Und hinterlässt den Gedanken, das Buch sei zuvorderst reine Provokation und damit ein Destillat des Vorgängers „Jenseits von Gut“. Denn inmitten der vielen aber- und dochwitzigen Ideen fehlen bisweilen die Geschichten.
Und die Ideen sind gut. Die mit den fehlenden Buchstaben, von der fantastischen Lektorin versehentlich verkehrtkorrigiert und um ihren Witz genommen, und den in der Folge fehlenden Treppen. Oder die über die Fußballmannschaftskulptur. Meistens sind die Texte eben keine Geschichten, sondern Vehikel für Meinungen, etwa über Vampirgeschichten, Privatfernsehen, Versicherungen, Damenfußball, Treuepunkte, und wenn man selbst etwas kritischer ist, findet man sich in seiner Meinung von Domin bestätigt, wenn auch mit anderen Mitteln, als man selbst wählte, jedoch zum Glück auch nicht in der banalen Comedy-Methode. Viele Texte sind reine spontane Aneinanderreihungen von Assoziationen, die oft damit zu tun haben, dass der Autor vorn auf der Bühne steht, einem Umstand also, den der Großteil des Publikums und der Leserschaft nicht mit ihm teilt. Häufig sind die Texte eine Gelegenheit, die eingangs erwähnten Eigenschaften auszuleben. In fast jedem Text schweift Domin ab, in einer Mischung aus Helge Schneider und Harry Rowohlt. Die Ideen, die er zu solchen Gelegenheiten herauslässt, bergen den meisten Humor. Da versteht er „Kurtaxe“ als Beförderungsmittel miss oder zitiert „Schmetterbälle im Bauch“ als Synonym für Verliebtsein. Eine Melange aus allem ist die dreigeteilte Western-Geschichte am Schluss: Da ersinnt Domin eine zwar brutale, aber nachvollziehbare Geschichte und verknotet sie mit seinen absurden Assoziationen. Von der Art hätte man sich mehr Geschichten gewünscht – so kann es weitergehen.
Sprachlich etabliert Domin einen Schreibstil, der ungefähr seinem Sprechstil entspricht. Er fällt sich selbst ins Wort, beendet Sätze nicht, springt inhaltlich zur Seite, wiederholt sich. Das Ganze versetzt er mit einer bildungsbasierten Hochsprache. Und, wer einen Bezug zwischen Titel und Inhalt erwartet, sieht sich verwirrt: Um den Maya-Kalender geht es gar nicht.
Ja. Dem stimme ich weitestgehend zu. Rassistische Inhalte in meinem Buch dienen aber einer Kritik an eben jenem Rassismus. Ich erwähne das explizit, da zu meinem Freundes-und Familienkreis sehr viele nichtdeutsche Personen, verschiedenster Hautfarbe, Herkunft und Religion gehören! Umso krasser
bediene ich mich der Mittel der Satire. Denn: Wer Blümchentexte schreibt, kann nicht zum Nachdenken anregen…