Von Matthias Bosenick (10.08.2014)
Es gibt nicht viele Bands, die ihre Spektakularität nicht halten können, aber trotzdem interessant bleiben. Die Manic Street Preachers machen seit dem Jahrtausendwechsel Musik, die niemanden mehr so recht interessiert, die auch niemanden mehr so recht aufrüttelt, die aber diejenigen zufriedenstellt, die der Band trotzdem folgen. „Futurology“, das Schwesteralbum zu „Rewind The Film“ aus dem Vorjahr, ist rockiger als jenes ausgelegt, und es ist sicherlich auch so aufgestellt, knallt aber lange nicht so wie etwa die von jugendlicher Kraft getriebenen „Gold Against The Soul“ oder „The Holy Bible“ aus den frühen 90ern. Und dennoch, man freut sich, wie sehr die neuen Songs ins Ohr gehen und wie gerne sie sich ins Gedächtnis einnisten. Gut gemacht.
Man hört James Dean Bradfield an, dass er etwas zu sagen hat, dass er nachdrücklich etwas an den Hörer bringen will. Seine Gitarre indes hat seit „The Masses Against The Classes“ (2000) nicht mehr so brutal gesägt wie bei ebenjenem Song, so auch hier nicht. Der Gitarrensound also unterscheidet sich hier nicht so sehr von „Rewind The Film“, wenn auch die Songs als härter komponiert sind. Die Härte kommt eher aus der Nachdrücklichkeit; ansonsten erinnert sie eher an die softe Härte vermeintlicher Rockbands wie Toto oder Fleetwood Mac. Nicht die Songs, die sind geiler als bei Toto, eindeutig!
Man wundert sich eben, wie catchy die Stücke dann doch sind. „Let’s Go To War“, das skandiert man gerne mit. In „Europa geht durch mich“, das Nina Hoss überraschenderweise singt, fällt man gerne ein. Die Mancis erzählen von der Indie-Disco, in der sie aber sicherlich nie gespielt werden und in die sie auch gottlob nicht gehören – sie sind nicht angepasst genug, sie bleiben doch zu sehr sie selbst und damit für heutige Jugendliche zu uncool. Dabei experimentieren die Manic Street Preachers auch mal mit Elektro-Dance-Sounds, verlassen aber ihre Welt dabei freundlicherweise nicht. Und trotz gelegentlicher „Ah“-Chöre erreichen sie am anderen Ende der Skala auch nicht mehr die Hymnenhaftigkeit der „If You Tolerate This“-Tage, kurz nachdem ihr Gitarrist Richey Edwards verschwunden war. Das macht die Wiedererkennbaren Songs des neuen Albums dann wiederum nachhaltiger, weil man sie sich nicht so stark überhört wie das Hit-Album von 1998. Das natürlich trotzdem gut war.
Seit sieben Jahren und damit nun zum sechsten Mal (inklusive der jüngsten Best-Of) veröffentlichen die Manics ihr Album auch als Buch mit einer Bonus-CD mit dem ganzen Album als Demo-Version, dieses Mal zusätzlich dreier Bonus-Tracks. Die Demos wirken karger als die ausformulierten Versionen, aber sie sind mindestens interessant. Als fertiges Album wären sie lediglich gewöhnungsbedürftig, als Bonus sind sie bereichernd. Und es ist süß, wie Bradfield im Demo Hoss‘ Part übernimmt.
Auch nach über 25 Jahren enttäuschen die Manic Street Preachers also nicht. Jedenfalls nicht, wenn man gewillt ist, sich darauf einzulassen, dass man es mit einer politisch unterstützenswert ausgerichteten, aber musikalisch gebremsten Band zu tun hat, die wie man selbst in die Jahre gekommen ist. Sie werden nie so groß sein wie U2, die trotz ihres Mega-Erfolges noch mit Experimenten überraschen, und nie so integer wie New Model Army, die ähnliche Botschaften mit mehr Wagnis und mehr Seele transportieren. Aber das macht nichts. So finden die Mancis wenigstens ihre eigene Nische. Da sind sie eigenständig genug.