Manic Street Preachers – Critical Thinking – Columbia/Sony Music 2025

Von Matthias Bosenick (20.03.2025)

Mit den Manic Street Preachers ist es seit rund 25 Jahren ein Phänomen: Jedes Mal, wenn man ein neues Album von den Walisern auflegt, denkt man, ach, da ist ja nix bei, was hängenbleibt, alles irgendwie druckvoll-hymnischer Indie-Rock, zuckt mit den Schultern und legt das Album erst nach Wochen erneut auf, um dann überrascht festzustellen, dass man alle Songs auswendig kennt und wie alte Bekannte mitfeiert. Nanu! So wird’s auch sicherlich mit ihrem 15. Album „Critical Thinking“ sein, das den Hörenden zunächst unbeeindruckt zurücklässt und ihn nach einigen Durchläufen komplett für sich einnimmt. Auch wenn man das alles schon kennt. Oder weil? Jedenfalls mit mehr Keyboards und Achtziger-Rock-Pop dieses Mal.

Erster Pluspunkt ist der Titeltrack, der gleich als Opener zum Einsatz kommt: „Critical Thinking“ ist ein riffiger Stampfer, gesungen – als erster von drei Songs dieses Albums – von Bassist Nicky Wire; für ebenso viele, aber ganz andere Songs steuerte Sänger und Gitarrist James Dean Bradfield ausnahmsweise die Texte bei, die ansonsten der nämliche Wire seiner Feder entringt. Dritter von vier Predigern ist Schlagzeuger Sean Moore – und der verschollene Vierte, Richey Edwards, verschwand nahezu exakt 30 Jahre vor der Veröffentlichung dieses Albums.

Nach diesem ungewöhnlichen Opener geht es allerdings ganz anders weiter. „Decline & Fall“ erschien als eine von vier Singles; die Waliser geben darin der Band Squeeze Credits, weil sie deren Hit „Cool For Cats“ zitieren (dann hätten sie bei „Late Day Peaks“ auch noch Credits an Nino de Angols Hit „Jenseits von Eden“ geben dürfen). Die Nähe zu frühem Punk, Post Punk und New Wave halten die Manics hier zwar hoch, aber eigentlich erfüllen sie sie nicht. Denn „Critical Thinking“ ist, auch aufgrund des vermehrten Keyboard-Einsatzes, eher glatt und poppig, was die teils hymnischen Refrains noch untermauern. Das schreckt zunächst etwas ab, weil die Band das Ruppige des Openers nicht beibehält und man auch ansonsten aus der Gewohnheit etwas mehr Rauheit erhofft hätte. Somit ist man zunächst also enttäuscht, aber das kennt man ja irgendwie von neuen Mancis-Platten, siehe oben.

Legt man das Album halt wieder und wieder auf, wie die alten ja auch. Und dann, ja: Kann man nicht meckern. Das Trio hat haufenweise hübsche Einfälle, in Melodien und Arrangements, hier mal ein fröhlicher Jubelgesang, dort mal unterschwellige Melancholie, hüben eine Flamenco-Gitarre, drüben Achtziger-Pop-Atmosphäre. Musikalisch ist dieses Album nun vornehmlich weichgespült, es mag so gar nicht zu dem passen, was die Band inhaltlich transportiert, denn Wire fasst die Texte als explizit politisch auf, und wir wissen ja, wie kämpferisch die Manics sich seit jeher aufführen. Das hätte sich auch gern in der Musik niederschlagen dürfen. Na, hübsch ist sie ja.

Wie immer gibt es auch dieses Album als Buch mit Bonus-CD, auf der sich die Demos finden, die noch etwas weniger am Keyboard genascht haben. Dafür ließen die Manics als Bonus-Bonus ihre Single „Decline & Fall“ von Prog-Nervensäge Steven Wilson remixen, worauf man gern verzichtet hätte. Dafür aber nicht auf die beiden Bonus-Tracks „Let The Light Return“ und „Johatsu“, die man den Fans in Japan zubilligt.