Von Matthias Bosenick (05.01.2023)
Es gibt sie noch – oder wieder und noch: Nach dem Jahr 2000 dauerte es zwar 13 Jahre bis zur obligatorischen Reunion einer Neunziger-Indie-Band, aber das Comeback-Album ist mittlerweile auch schon wieder gut zehn Jahre alt. Seitdem veröffentlichen die Surfrocker aus der Zukunft nur noch spärlich Singles, „Distant Pulsar“ ist sogar eine Doppel-7“ mit vier Tracks. Die belegen, weitgehend von dem Schabernack der Neunziger befreit, um was für grandiose Musiker es sich bei Man … Or Astro-Man? tatsächlich handelt. Natürlich fehlt das juvenile Ungestüm der Anfangszeit, aber dafür bekommt man eben gereiften Indierock, fett produziert, voller Einfälle und mit wissenschaftlicher Lehrstunde on top obendrauf.
Gerade zwölf Minuten neue Musik kredenzen Man … Or Astro-Man? mit dieser Doppel-Single im Klappcover, aber man freut sich über diese Brotkrumen. Seite A geht gleich klassisch los mit einem Surftrack mit Hall auf den Drums, den Gitarren und dem Gedanken dahinter: „Distant Pulsar“, Titeltrack der EP mithin, klärt im Begleittext darüber auf, dass es sich bei Pulsaren entgegen langläufiger Meinung nicht um handelsübliche Sterne handelt, sondern um Neutronensterne, mit ausführlicher Erläuterung auf Bandcamp. Danke. Der Song ist um das typische Humorige und Noisige reduziert, hat den Twang und den Drive, den man von MOAM kennt, geht ins Ohr und nach vorn und bietet feinsten Surfrock. Das Instrumental „Microverses“ auf der B-Seite verlegt den Schwerpunkt auf den Indierock, ebenso treibend, mit melodischen Riffs, groovendem Bass und überraschenden Breaks, im Tempo sogar noch leicht angezogen, fuckin‘ catchy!
Melodisch geht auch das Instrumental „Signal Instrusions“ auf der C-Seite weiter, wie Track 2 den Surf eher mitdenkend als im Vordergrund ausspielend. Hier fließen dann doch wieder vereinzelte noisige Elemente ein, sobald man sich an die Catchiness des Tracks gewöhnt hat, aber das ist wohl als Übergang zu verstehen zur D-Seite „Bent Sinister“, die ausschließlich aus Soundscapes, Drones und Samples besteht und den spookigen Anteil der Band hervorhebt. So ganz ohne Versponnenheit geht eben auch Ü50 nicht. Und besser und innovativer als die Pixies seit deren Reunion sind MOAM allemal.
Die Band heute besteht aus vier altgedienten und neugewonnenen Astrofrauen und -männern mit den gewohnt bekloppten Künstlernamen: Star Crunch (Brian Causey), Coco The Electronic Monkey Wizard (Robert DelBueno), Avona Nova (Samantha Erin Paulsen) und Birdstuff (Brian Teasley). Die drei Männer sind seit der Gründung der Band vor 31 Jahren dabei, Avona Nova trat vor zehn Jahren hinzu, ausgeborgt bei der Mathrockband We Versus The Shark. Seit der Platte „Live At Third Man Records“, aufgenommen für Jack Whites Label, im Jahr 2017 und dem Comeback-Album „Defcon 5… 4… 3… 2… 1…“ 2013 veröffentlichen die Astroleute ausschließlich Singles, wenn auch verglichen mit dem Neunziger-Output eher wenige. Zuletzt diese: 2018 gab es eine Split-Single mit der Hardcore-Band Tar, 2021 eine 7“ mit drei Tracks, „Space 1991“, jetzt eben „Distant Pulsar“. Will man wirklich alles von Man … Or Astro-Man? zusammensammeln, hat man eine Menge zu tun: Nicht mal die Alben sind eindeutig als solche definiert, geschweige denn überhaupt sämtlichst erschwinglich erhältlich, von den auf Aberdutzenden Labels verstreuten Singles und Compilation-Beiträgen ganz zu schweigen. „Distant Pulsar“ belegt: Jeder einzelne Kauf lohnt sich.
1997 behaupteten Man … Or Astro-Man? beim Roskilde Festival noch, sie kämen aus der Zukunft und spielten die Musik der Charts von in zwanzig Jahren. Die Charts von 2017 widerlegten diesen fröhlichen Quatsch leider. In den persönlichen Charts stehen MOAM indes ganz weit oben.