Von Matthias Bosenick (17.05.2023)
Gitarre und Schlagzeug, mehr nicht, und heraus kommt etwas, das weiter weg von den Abstürzenden Brieftauben kaum sein könnte: Dark Ambient, Industrial, Drone, Soundcollage, Jazz. Das Norwegische Duo Magnify The Sound besteht aus Trond Engum, Gitarrist von The 3rd And The Mortal, und Carl Haakon Waadeland, Schlagzeuger in zahllosen Bands und Ensembles. Sie machen Musik, die atmet, die keine festen Strukturen hat, die wie das Meer auf und ab wogt, die still sein kann und aufbrausend, bei deren Genuss der Kopf automatisch sein eigenes Kino anwirft. Die Stimmung ist eher dunkel, dazu auch mal beklemmend oder bedrohlich, also der passende Soundtrack zur Weltlage.
Rhythmen oder Beats oder Melodien sollte man hier nicht erwarten, die gibt’s ja schon, Magnify The Sound loten die Grenzen ihrer Instrumente aus und erzeugen Geräusche und Räusche. Weder Gitarre und Keyboard noch Schlagzeug und Percussion sind über die gesamte Spielzeit als solche herauszuhören, Engum und Waadeland stehen über solchen Banalitäten und generieren den Soundtrack zu einem imaginären Film. Percussions rascheln, zischen, rauschen, klickern, die Gitarre dröhnt, orgelt, ziept, wispert; weite Bereiche dieses Albums erscheinen leer, finster, heimgesucht, und manchmal türmen sich die Sounds dann zu Lärmbergen auf. Bisweilen fühlt man sich an sakrale Musik erinnert, was dann stets verwundert – und den Wunsch aufkommen lässt, die beiden Musiker einmal live in einer Kirche erleben zu dürfen. Mit dem Hall!
Man darf sich nicht von dem Umstand in die Irre leiten lassen, dass The 3rd And The Mortal dereinst als Metalband begannen, denn nach Metal klingt hier gar nix. Engum fährt keine Riffs auf, ebenso wenig kontert Waadeland mit fetten Beats. „Don’t Give Us That Face“, mahnen die beiden, und konzentrieren sich auf Improvisation und Emotion. Als seien sie voneinander berauscht, erzeugen sie eine berauschende Musik, die für manche vermutlich nicht einmal überhaupt als Musik zu erkennen ist. Soundscapes, ja, aber bitte, natürlich handelt es sich dabei um Musik. Freier Jazz und Avantgarde sind nicht so weit weg davon, und Popsongs kann ja nun jeder. „Don’t Give Us That Face“ ist eine abenteuerliche Reise durch den eigenen Kopf.