Von Matthias Bosenick (14.05.2023)
Es ist nicht zu übersehen: „Mad Heidi“ ist ein Film von Fans, die sich bei ihren liebsten Regisseuren und Genres bedienen und daraus einen blutrünstigen Film drehen, den sie berechtigt als Swissploitation bezeichnen. Die Schweizer Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein finanzierten ihren Diktatur-Gefängnis-Horror-Splatter-Heimatfilm über Crowdfunding, und dadurch kam er auch einmalig in Braunschweig ins Kino, weil einer der Geldgeber, der zudem mehrfach als Komparse in Erscheinung tritt, ihn bei sich zu Hause unbedingt auf großer Leinwand zeigen wollte. Ergebnis war ein großes Fest im Kino. Der Film selbst ließ bei allem Heidispaß, den die Macher an ihrem Unsinn hatten, jedoch einiges vermissen: mehr Dynamik, abwechslungsreichere Kamera, spritzigere Dialoge und eine eigene Handschrift über den Zitatereigen hinaus. Der Abend war trotzdem der Gipfel!
Richtig gut ist, dass der Geißenpeter (auf Schweizerisch natürlich Geissenpeter) hier von Kel Matsena gespielt wird, also eine dunkle Hautfarbe hat. Kritik an der Liaison zwischen der 24jährigen Adelheid, genannt Heidi, und ihm gibt es von Seiten ihres Großvaters Alpöhi nicht deswegen, sondern weil er Dorfgerüchten zufolge ein Hallodri ist. Er vertickt nämlich illegal Käse aus eigener Herstellung, und das ist in der Schweiz seit 20 Jahren verboten. Denn Diktator und Konzernchef Präsident Meili herrscht mit Strenge über das Land und lässt alle Verräter hinrichten. Damit ist er recht schnell, wie es sich für Filme mit irren Diktatoren so gehört. Nun bringt er damit, dass Soldaten den Peter auf dem Marktplatz exekutieren, die dies beobachtende Heidi gegen sich auf – die aber erstmal gefasst und in eine Art Frauenknast gesteckt wird. Aus dem sie irgendwann entkommt, sich von einer Absinthfee in Schwertkampf ausbilden lässt und letztlich in einer Arena gegen den Buchhalterstier antritt, um hernach den Präsidenten seines Amtes und auch allem sonstigen zu entheben.
Dazu kommen der für tot gehaltene Alpöhi, der mit anderen Bergdörflern rund um Geissenpeters Vater eine Bürgerwehr gegen die Diktatur formiert, der irre General Knorr, der sich von der Knastleiterin Fräulein Rottweiler (man beachte die bissige Namensänderung) Wurst mit Senf in den After stecken lässt, Heidis Freundin Klara, die käsesüchtig wird, und ein Wissenschaftler, der aus Menschenmilch einen Superkäse generiert, der aus denen, die ihn essen, Zombiesoldaten macht. Das liest sich so erstmal wirklich wie ein bunter Strauß an Absurditäten, die in einer flüssigen Reihenfolge und einer dynamischen Darreichungsform einen Megaknaller ergeben müssten. Leider gerät die Montage dieser Sequenzen oft eher überraschungsarm, aus mehreren Gründen: Die Kamera zeigt fast immer dieselbe Einstellung, es fehlen Details, Perspektivwechsel, Totale, Bewegungen, Zooms, Jumpcuts, was auch immer, also Spielereien mit der Technik, die die Macher ja eigentlich zur Hand haben. Manche Sequenzen werden zu oft wiederholt und zu langatmig erzählt, etwa die Demütigung Heidis im Knast oder die Ausbildung mit der grün leuchtenden Absinthfee. Und eigentlich lässt Heidis Blutrausch viel zu lang auf sich warten, bald wie in einem Asylum-Film: Ewig gibt’s Gelaber, leider ohne Witz, und Heidi lässt sich immer wieder einfangen, anstatt amtlich loszumetzeln. Aber das soll sie ja auch gar nicht, sie will ja nicht zur Massenmörderin werden, sondern den Kopf des Präsidenten.
Dabei können die Filmemacher es besser, was spätestens das Finale in der Arena belegt: Da tritt Heidi gegen Mitgefangene an und muss sich hernach gegen einen Stiermenschen erwehren; bei dieser Choreografie sind Redundanzen nicht möglich, weil eine Narration eingebaut ist, nämlich der Seitenwechsel von einer von Heidis Gegnerinnen. Auf einmal schnackelt es, die Kamera macht geile Sachen, der Blutrausch hat einen Verlauf, es geht vorwärts. Auch hübsch gefilmt ist der Tod der Aufseherin, die plötzlich von oben in der dunklen Zelle in ihrer knallroten Blutlache liegt. Oder der Tanz von Heidi auf der Alm am Anfang, der direkt dem Intro der japanischen Anime-Serie aus dem Jahr 1974 nachempfunden ist, so treffend, dass man erwartet, Gitti und Erika würden zu singen beginnen.
Zitate sind ohnehin die Kernkompetenz von Hartmann und Klopfstein. Das Intro mit Blockbuchstabend und schmelzendem Filmmaterial sieht aus wie bei Robert Rodriguez oder Quentin Tarantino, die Trainingssequenz im Wald ist zudem sehr dessen „Kill Bill“ entnommen. Aufreißende Körper und Blutfontänen kennt man von Peter Jackson, dessen Debüt „Bad Taste“ 1987 ebenfalls eine Low-Budget-Produktion mit Freunden war. Weitere Zitate sind allgemein Genres entnommen, wie Knastfilmen, Sandalenfilmen, Italowestern, Mad-Scientist-Filmen, Drittes-Reich-Filmen, darunter etwa „Iron Sky“, ein weiteres Crowdfunding-Vorbild aus dem Jahr 2012, sowie „Klimbim“, indem hier fortwährend anlasslos Frauen oben ohne in Erscheinung treten.
Das soll vermutlich lustig sein, aber mit dem Humor ist es in „Mad Heidi“ so eine Sache. Funktionieren spontane Körpermodifikationen mit Bluttsunami in den zitierten Filmen auf eine Weise, die den Betrachter zum spontanen Auflachen bringt, empfindet man sie hier als erwartbare Konsequenz, die schlichtweg plakativ erfüllt wird. Auch Sprachwitz oder spritzige Dialoge kommen zu kurz; es wird viel gelabert, Meili etwas sabbelt viel Blödsinn, aber alles genau so, wie man es von einem irren Diktator bereits kennt, auch in einer überzogenen Form. Richtig laut zum Lachen kommt man selten; möglicherweise liegt dies auch in der Inszenierung, die mehr Handwerk als Kunst ist und der man mehr eigenen Charakter wünscht.
Gut wiederum sind die Schauspieler, allen voran Alice Lucy als Heidi, die sich vom Alpenmädchen zur Kämpferin mausert. Auch der Einsatz von Musik gelingt gut, das Team beschäftigt eigene Score-Musiker und -Komponisten. Der Abspann lässt zudem erwarten, dass es eine Fortsetzung geben könnte: Die Geschichte der marodierend umherziehenden Freundinnen „Heidi und Klara“.
Das größte Fest fand ohnehin im Kinosaal statt, Organisator Thomas Stoch zeigte vorab auf der Leinwand Fotos vom Set und eine exklusive Willkommensbotschaft von einem der Regisseure. Der Mann liebt den Film, und diese Liebe ist ansteckend, der Saal tobte. Alles richtig gemacht – danke dafür!