Von Matthias Bosenick (26.05.2021)
Selten genug, dass die Fortsetzung besser ist als der Auftakt, aber bei der Serie „Love, Death And Robots“ trifft das zu: Die Episoden sind geschlossener, mehr auf den Punkt, atmosphärischer, tragen mehr Handlung und mehr Emotion. Das Maß an Gewalt und an Porno ist jeweils zurückgenommen, die Figuren und deren existentielle Situationen stehen im Mittelpunkt dieser acht unterschiedlich animierten SciFi-Storys. Hier gibt es keinen Ausfall, wohingegen unter den 18 Kurzfilmen der ersten Staffel einige verzichtbar waren. Das allein kann man schon feiern, und dann möchte man in der Atmosphäre der Geschichten bereitwillig mehrmals abtauchen.
In fast allen der acht Episoden geht es ums Überleben, das aus unterschiedlichen Gründen gefährdet ist. Nur zwei haben eine humoristische Grundierung, gleich die erste gehört dazu: In „Automatisierter Kundenservice“ versucht eine reiche Seniorin, ihren außer Kontrolle geratenen Haushaltsroboter mit Hilfe der Herstellerhotline davon abzubringen, sie und ihren Hund umzubringen. Unerwartete Unterstützung erfährt sie vom ihrem beschnauzbarten Nachbarn. Eine überzeichnete 3D-Animation der Menschen steht der kaltglatten Wohnungseinrichtung gegenüber, das Tempo ist angemessen forsch, der Humor auf den Punkt, da steckt man es auch ein, dass es über Telefonhotlines bereits unzählbare Witze gibt. Faktisch – hier sei gespoilert – handelt es sich um eine von zwei Episoden, in denen die Figuren keinem garantiert guten Ende entgegensehen, hier aber immerhin einem treffend offenen.
„Eis“ spielt auf einem Planeten, in dessen Kolonie die Jugendlichen modifiziert werden, um dort bestehen zu können. Der Teenager Sedgewick erhielt dieses Upgrade nicht, will aber mit seinem Bruder und dessen Freunden an einem überwältigenden, für ihn aber waghalsigen Abenteuer teilnehmen: Sie locken Wale an, die das Eis durchbrechen und einen wunderschön gezeichneten Tanz vollführen. Die „Nacht der Fische“ aus der ersten Staffel klingt hier stark an. In „Jäger und Gejagte“ töten Headhunter Kinder, denn die sind illegal, weil es Menschen gelungen ist, ewig zu leben, weshalb kein Platz für Nachwuchs gegeben ist. Die Stimmung ist extrem düster, die Ewigkeit sieht nicht eben erstrebenswert aus, und einen der Cops befallen plötzliche Zweifel an der Richtigkeit seines Auftrags; seine Gewissensbisse bringen ihn in Lebensgefahr. Die Folge strahlt eine verstörend verlockende Dunkelheit aus.
Bei „Snow in der Wüste“ (das Wortspiel funktioniert in der deutschen Übersetzung nicht mehr) handelt es sich um einen Albino, der aufgrund einer einzigartigen Eigenschaft gejagt wird: Sein Körper regeneriert sich, Snow lebt ewig, und diese Eigenschaft wollen andere auf seine Kosten ebenfalls erringen. Die Hilfe einer zunächst dubiosen jungen Frau stellt sich bald als nicht uneigennützig heraus. Hier überzeugen die Landschaften und die Kampfszenen mit den Alien-Kopfjägern. Und es erhärtet sich die unterschwellige Ahnung, dass die acht Geschichten – womöglich nur zufällig – paarweise in lockerer Verbindung stehen: Wir haben „Snow“ und „Eis“, wir haben ewiges Leben, wir haben modifizierte Menschen.
„Im hohen Gras“ ist die zweite gezeichnet animierte Geschichte; hier hält ein Zug auf freier Strecke in der titelgebenden Landschaft. Gefährt und Passagiere sehen aus, wie man sie sich im London zum Ende des 19. Jahrhunderts vorstellt. Passagier Laird steigt aus dem Zug aus, um eine zu rauchen, und geht im Gras auftretenden Lichtern nach. Das hätte ihm der wissende Schaffner auch vorher ausgeredet haben können, denn diese Lichter kündigen weiße Monster an, die aus dem Boden kriechen und auf den Lebenden Jagd machen. Das hohe Gras ist quasi eine beängstigende Landschaft der Körperfresser; und wieder flieht ein Mensch vor einer tödlichen Bedrohung.
Die zweite Humorgeschichte ist „Bescherung“: Zwei Kinder wollen den Weihnachtsmann bei ebenjener Titeltätigkeit überraschen. Das Entsetzen ist bei den Steppkes groß, als sie wahrnehmen, dass Santa Claus zum Trinken der bereitgestellten Milch einen Tentakel ausfährt – und auch ansonsten keine eben menschliche Gestalt hat. Zudem ist es dem Monster möglich, telepathisch in Erfahrung zu bringen, ob die Kinder wirklich „brav“ waren – sie stehen bis zu seinem Urteil Todesängste aus. Der in der „Rettungskapsel“ außer Kontrolle geratene Roboter ist wie in Episode 1 die Bedrohung für den Piloten eines abgestürzten Kampfraumschiffs, der sich verletzt an ebenjenen Ort schleppt und dort von einem eigentlich für die Wartung konstruierten Mechanikwesen als zu zerstörendes Objekt identifiziert wird. Diese Geschichte basiert auf einem Text von Harland Ellison, und auch die letzte Folge hat eine literarische Vorlage: Von J.G. Ballard stammt „Der ertrunkene Riese“, ein zweidimensional animierter Film um einen wie ein Wal an den Strand gespülten gigantisch großen toten Mann, den ein Forscher – und da weichen die Geschehnisse von den Erwartungen ab – zunächst nur aus der Ferne beobachtet, während die Bevölkerung auf der Leiche zu spielen beginnt, bevor sie sie zerfleddert. Zu erwarten gewesen wären Absperrungen und Nachforschungen zur Herkunft des Riesen; nichts davon findet statt, die Geschichte läuft eher melancholisch ins Leere und bleibt auf diese Weise, ganz wie die anderen, noch lang im Gedächtnis.
Das war in der ersten Staffel aus dem Jahr 2019 noch anders: Sie wirkte versucht schrill, überdreht, brutal und pornös, die Geschichten hatten oft etwas Unvollständiges, manche hätten der Prolog zu einem Film gewesen sein können, manche wirkten wie altbekannt, manche wie eine reine Fingerübung. Vermutlich treffen sie auf diese Weise eher den Geist der Vorlage, die der Initiator dieser Serie zugrundelegt: Eigentlich hatte David Fincher nämlich vor, die Comicverfilmung „Heavy Metal“ aus dem Jahr 1980 zu rebooten, doch strickte er diesen Plan eben zu dieser Serie um. Dafür sicherte er sich den Beistand von Regisseur Tim Miller und seinem Blur Studio, mit dessen sowie der Hilfe zahlreicher Regisseure und Autoren aus aller Welt diese insgesamt nun 26 Kurzfilme entstanden. Bereits im nächsten Jahr soll es überdies eine dritte Staffel geben. Auch wenn die erste nicht durchgehend überzeugt, ist sie doch eine kurzweilige Vorbereitung auf diese gute zweite Runde.