Liegengeblieben!

Von Chrisz Meier (27.08.2025)

Hallo. Ich bin Chrisz Meier und arbeite bei einem Bürgerradio in Südwest-Niedersachsen. Der Sender bekommt ständig Promo-CDs zugeschickt, die niemand verlangt hat und um die sich niemand kümmert. Diese CDs landen dann mitsamt ihrem Beipackzettel der Plattenfirma, auf der die jeweilige Band stets als die Neuerfinder der Musik gepriesen wird, in einer schmucklosen Ablage, beschriftet mit „Zum Mitnehmen“. Einige der bei dem Sender ehrenamtlich Tätigen, Betreiber ihrer eigenen Radioshows, bedienen sich daraus, vieles bleibt aber dennoch liegen. Diese Liegengebliebenen durchforste ich in unregelmäßigen Abständen, immer auf der Suche nach unentdeckten Perlen – nicht zuletzt deswegen, weil ich, selbst Teil einer Band, der keinerlei Beachtung entgegengebracht wird, es ungerecht finde, diese mit viel Herzblut und Zeit hergestellte Musik einfach zu ignorieren.Also werde ich an dieser Stelle hin und wieder ein paar dieser Liegengebliebenen vorstellen.

Ein Trio vom anderen Ende der Welt, aus Australien, macht heute den Anfang. Black Aleph spielen Post-Metal/Doom, und das tun sie mit Gitarre, Bass und… Moment! Sie tun das mit Gitarre, Cello (ja!) und Daf. Das ist eine recht große, dafür ziemlich flache Trommel, die mit beiden Händen gespielt wird und aus dem persisch/kurdischen Raum kommt. Wer sich nichts darunter vorstellen kann, darf sich ein Video der Musikerin Negar Ezazi auf einem bekannten Videoportal anschauen.Mit dieser Instrumentierung schaffen es die drei, ein Album mit sieben überdurchschnittlich langen Liedern zu füllen, wobei auf Gesang weitestgehend verzichtet wird. (Und wenn, ist es eine Gastsängerin, die den Sound mit Stimmklang auffüllt.) Auch auf Tempo legen die drei Herren keinen großen Wert, dafür aber auf Schwere und Dunkelheit. Neben genretypischen Riffs und Akkordfolgen kommen auch musikalische Einflüsse aus dem Nahen Osten zur Geltung. Das klingt dann alles sehr atmosphärisch und ist mit Liebe zum soundtechnischen Detail produziert – aber auf Dauer vielleicht doch etwas eintönig. Ich will das Album damit aber nicht schlechtreden, nein. Meine Empfehlung wäre deshalb, „Apsides“ in kleinen Dosen zu genießen. Wenn man sich dabei noch die ungewöhnliche Instrumentierung vor Augen führt, hat das Ganze seine Reize.Black Aleph: ApsidesLP, CD, DigitalArt as Carthasis/Dunk Record (2024)

Manchmal bleibt etwas so lange liegen, bis es verdorben ist. Das trifft auf „The Primrose Path“ des holländischen Quintetts Cardamon zu. Diese Scheibe lag und lag und lag in der berüchtigten „Zum Mitnehmen“-Box, so daß es die Band inzwischen nicht mehr gibt. Neben der erwähnten von 2007 veröffentlichten die vier Männer hinter der Frontfrau noch eine Scheibe und danach (2011) war wohl Schluß. Bei „The Primrose Path“ handelt es sich laut CD-Booklet um das Re-Release des 4-Song-Debüts, bei dem sie halt noch acht Songs dazugepackt haben, um das Album vollzumachen. So, und was für Musik ist das jetzt, höre ich von draußen. Tja, eine, die mir nicht besonders gefällt und die in den allwissenden Metal Archives unter „Gothic Rock/Metal“ eingeordnet wird. Wer mit dieser Kategorie etwas anfangen kann, wird wahrscheinlich nicht enttäuscht, ich kenne mich da nicht so aus. Ich fand die zwölf Songs eher überrachungsarm, dafür aber gut produziert. Was mir beim ersten Durchhören jedoch sofort aufgefallen ist, waren die durchdachten, ausgefeilt mehrstimmigen und sehr sauber gesungenen Gesangarrangements von Floortje Donia. Wie gesagt, Kenner der Materie können sich ja mal auf Archivsuche begeben und Cardamon auschecken. Für mich folgte „The Primrose Path“ eher ausgetretenen Pfaden. Und das, obwohl der Begriff soo viele Bedeutungen hat…Cardamon: The Primrose PathCDFemme Metal Records (2007)

Auch nicht wirklich begeistert hat mich „Still Quiet“, das 2025er-Album der Norweger The Soundbyte. Dies soll Post- bzw. Alternative Metal sein. Wenn das wirklich so ist, will ich Post- bzw. Alternative Metal nicht mehr hören. Hier werden lediglich Düster-Riffs aneinandergehängt und vorzugweise mit angezogener Handbremse gespielt. Der Sänger hat seine Ausbildung in der Peter-Steele-School of unfine Arts genossen; die obligatorische Gastsängerin darf bei drei der sieben Stücke nicht fehlen. The Soundbyte ist der Meinung, auf dieser Scheibe norwegische Folk-Taditionen mit elektroakustischen Texturen und Metaleinflüssen zu mixen, aber das kann ich nicht bestätigen. Trotzdem bin ich sicher, daß diese Musik unzählige Fans hat und es würde mich nicht wundern, die Band im kommenden Jahr auf den größten Open-Air-Festivals zu sehen – wenn ich auf sowas gehen würde.The Soundbyte: Still QuietLP, CD, DigitalVoices Of Wonder (2025)

Alte Bekannte melden sich mit „Karmazonia“ zurück und nennen ihre Formation Future Zoo. Markus Schultze und Lutz Sauerbier, diese Namen sollte man in der Braunschweiger Gegend schon mal gehört haben. Auch Gastdrummer Eddie Filipp ist kein Unbekannter. Zusammen mit ihren Mitstreitern legen sie hier ein komplettes Album mit zwölf Songs vor, das keinem wehtun dürfte. Popmelodien treffen auf englische Texte, hier und da wird mal ein Discobeat gespielt, der Gitarrist weiß ganz genau, wer The Edge ist, da und dort wird mal ein moderner Soundeffekt eingesetzt und Markus Schultze weiß mit seinem Gesang zu gefallen. Die Produktion ist sauber, alle zwölf Songs könnten sofort ohne Probleme im Radio gespielt werden. Ecken und Kanten müssen woanders gesucht werden. Ob das jetzt ein Qualitätsmerkmal ist, muß jeder selbst entscheiden. Future Zoo: KarmazoniaLP, DigitalKarmazonia Records (2025)

Und da wäre da noch dieses Monster. Das Monster namens Death Machine. Das Monster namens „Dawning Eyes“. Diese dämmernden Augen ziehen einen sofort in ihren Bann, kauen einen gut durch und spucken einen nach geraumer Zeit gerädert, aber glücklich wieder aus. Die Plattenfirma nennt die Musik von Death Machine ganz harmlos Indie Rock/Alternative Folk. Die Untertreibung des Jahres. Geboten werden dem neugierigen Hörer alle möglichen Stile der ungewöhnlichen, manchmal skurrilen und niemals ausgelutschten Musik. Jeder Song ist somit eine kleine Überraschung mit immer wieder neuen Arrangements und keinem durchgehend gleichen Sound, wobei die akustische Gitarre eine wichtige Rolle spielt. Oh, ich höre schon das Gemunkel: „Alternative Folk mit akustischer Gitarre? Das soll spannend sein?“ Nun, die Songs auf „Dawning Eyes“ sind kein Akustikgitarrengeschrammel, dieses Instrument verfeinert den Sound jedoch maßgeblich. Der Gesang von Jesper Mogensen ist der rote Faden, der das Album in seiner Vielfältigkeit zusammenhält und dessen Stimme entfernt an die von Mark Hollis (Talk Talk) erinnert. Jesper Mogensen? Ja, diese Band ist eine dänische und dieses Album offenbar ihr viertes. Mir waren sie bis dato komplett unbekannt, was ja nichts heißt. Das einzige, was man dem Album vorwerfen könnte, wäre seine Länge. Die 19 Songs bringen es auf eine Laufzeit von ca. 80 Minuten, und das ist auch für einen geübten Musikhörer zu viel. Trotzdem: Danke, Dänemark, für solch begabten Söhne!Death Machine: Dawning EyesLP, CD, DigitalCelebration Records (2025)