Liegengeblieben!

Von Chrisz Meier (30.04.2025)

Hallo. Ich bin Chrisz Meier und arbeite bei einem Bürgerradio in Südwest-Niedersachsen. Der Sender bekommt ständig Promo-CDs zugeschickt, die niemand verlangt hat und um die sich niemand kümmert. Diese CDs landen dann mitsamt ihrem Beipackzettel der Plattenfirma, auf der die jeweilige Band stets als die Neuerfinder der Musik gepriesen wird, in einer schmucklosen Ablage, beschriftet mit „Zum Mitnehmen“. Einige der bei dem Sender ehrenamtlich Tätigen, Betreiber ihrer eigenen Radioshows, bedienen sich daraus, vieles bleibt aber dennoch liegen. Diese Liegengebliebenen durchforste ich in unregelmäßigen Abständen, immer auf der Suche nach unentdeckten Perlen – nicht zuletzt deswegen, weil ich, selbst Teil einer Band, der keinerlei Beachtung entgegengebracht wird, es ungerecht finde, diese mit viel Herzblut und Zeit hergestellte Musik einfach zu ignorieren.

Also werde ich an dieser Stelle hin und wieder ein paar dieser Liegengebliebenen vorstellen.

Den Anfang macht ein Stoner-Trio aus (wahrscheinlich) der BRD, welches sich Astral Kompakt nennt und nach einer EP und einer Single nun, im vergangenen November, ihr erstes Album vorlegte. Dieses haben sie „Goldader“ genannt, andere Songs heißen „Welwitschie“ oder „Batavische Träne I“. Als richtig typischen Stonerrock würde ich das nicht bezeichnen, dafür tauchen mir zu wenige genrebestimmende Klischees auf. In den meist recht langen Liedern wechseln sich laute mit leisen Passagen ab, ab und an wird auch mal das Tempo etwas angezogen und kein einziges gesungenes Wort unterbricht den Flow der drei. Das ist es auch, was mich auf Dauer an dieser Scheibe stört: Hier passiert doch leider relativ wenig. Reine Instrumentalmusik darf meiner Meinung nach ruhig abwechslungsreicher sein. Andererseits ist alles sehr sauber gespielt und produziert und mit den entsprechenden Substanzen intus kann man sich recht einfach vom Sog des Albums einsaugen lassen, wenn man will. Undogmatische Stonerfreunde sollten mal ein Ohr riskieren.

Astral Kompakt: Goldader (2024)
LP, CD, Digital
Tonzonen Records

Auch aus der BRD, nämlich aus Hamburg, kommen oder kamen No God Only Teeth. Laut ihrer Bandcamp-Seite existierte das Quintett von 2018 bis 2023. Ihre einzige CD nannten sie „Placenta“. Darauf finden sich sieben Songs, die dementsprechend lang sind. Und im Gegensatz zu Astral Kompakt wird hier gesungen. Obwohl… neee. Das ist astreines Gekeife, ohne Modulation, ohne Melodie. Gut möglich, daß das die Stimme einer Frau ist, aber wer weiß. Die vier anderen der Band mögen es gerne schwer und düster. Als Laie würde ich das Doom nennen, Profis nennen sowas vielleicht Sludge. Ich bin kein großer Fan davon, insbesondere Keifgesang im Allgemeinen finde ich auf Dauer sehr anstrengend. Ist aber Geschmackssache. Als Pluspunkt könnte ich anführen, daß „Placenta“ nicht totproduziert ist; die Produktion ist rauh, ohne amateurhaft zu klingen. Kann man mal hören, wenn man zu gute Laune hat.

No God Only Teeth: Placenta (2021)
CD, Digital
Narshardaa Records

Das nächste ist eine Vier-Track-EP vom November 2024 und stammt von der französischen Band Mauvais Sang. „La Flore“ haben sie die Veröffentlichung genannt und behaupten, dies wäre „Noisy Rock“. Ja gut, kann man so sehen. Beim ersten durchhören konnte ich noch gar nichts damit anfangen, beim zweiten Mal erkenne ich den roten Faden und verstehe, wie die fünf MusikerInnen das gemeint haben könnten. Tatsächlich mischen sich hier Elektroniksounds mit Noise- und Rockelementen, streckenweise wird hier ganz schön auf die Pauke bzw. die Dancefloor-Bassdrum gehauen. Und dann das: Im dritten Song „Sybille“ wird eine Harfe zum tragenden Instrument! Sowas hört man im Rock- oder gar Noisebereich äußerst selten. Auch Geigen spielen hier und da ihre Rollen. Gesungen wird durchgehend auf französisch, was in diesem Zusammenhang nicht ganz reizlos ist. Gar nicht mal uninteressant, dieses böse Blut. Auch witzig: Im Video zum Song „Modèle“ präsentieren sich die fünf als selbstverliebte Narzissten – Abbild und Parodie der Generation Influencer – bis sie zum Schluß anfangen zu brennen.

Mauvais Sang: La Flore (EP 2024)
CD, Digital
Daaganda Records

Zum Schluß noch eine Warnung für alle Flohmarktbummler, Grabbelkistenwühler und Schnäppchenjäger: Wirklich ganz schlecht ist die CD „We Are…“ von Charing Cross. Da diese schon 2008 erschienen ist, dürfte sie außer an den genannten Plätzen nicht mehr zu haben sein, und das ist auch gut so. Bei einer Laufzeit von fast 55 Minuten reiht sich hier eine Belanglosigkeit an die nächste, die Songs sind so vorhersehbar wie die Zahlenreihe eins bis zwölf und nach dem einen stumpfen Klischeeriff kommt das nächste. Dazu Titel wie „Kick Ass Rock’n’Roll“, „Can’t Have It All“, „Palace Of Fate“ oder „Forever Rockin’“. Schon damals entbehrlich und dann auch noch schlecht gealtert. Puh!

Charing Cross: We Are… (2008)
CD
Metal Heaven