Liegengeblieben!

Von Chrisz Meier (21.01.2025)

Hallo. Ich bin Chrisz Meier und arbeite bei einem Bürgerradio in Südwest-Niedersachsen. Der Sender bekommt ständig Promo-CDs zugeschickt, die niemand verlangt hat und um die sich niemand kümmert. Diese CDs landen dann mitsamt ihrem Beipackzettel der Plattenfirma, auf der die jeweilige Band stets als die Neuerfinder der Musik gepriesen wird, in einer schmucklosen Ablage, beschriftet mit „Zum Mitnehmen“. Einige der bei dem Sender ehrenamtlich tätigen Betreiber ihrer eigenen Radioshows bedienen sich daraus, vieles bleibt aber dennoch liegen. Diese Liegengebliebenen durchforste ich in unregelmäßigen Abständen, immer auf der Suche nach unentdeckten Perlen – nicht zuletzt deswegen, weil ich, selbst Teil einer Band, der keinerlei Beachtung entgegengebracht wird, es ungerecht finde, diese mit viel Herzblut und Geld hergestellte Musik einfach zu ignorieren.

Also werde ich an dieser Stelle hin und wieder ein paar dieser Liegengebliebenen vorstellen.

Den Anfang macht heute das Schrotti Star Orchester. Mitgenommen habe ich dieses Teil nur, weil mir der Titel „Covern ist Scheiße“ so gefiel. Zuhause las ich dann im Klappentext, daß es sich bei den Songs ausschließlich um Coverversionen handelt. Und zwar von „musicians we love. This album is dedicated to them.“ Na gut. Das dreiköpfige Orchester an Synthies, Drumcomputer, Gitarre, Gesang, allerlei Klingklang und gelegentlichen echten Trommeln liebt anscheinend ausschließlich Musiker, von denen ich noch nie was gehört habe, denn ich erkannte nicht einen einzigen Song. Dabei ist „Denkmal“ von Wir sind Helden und „She’s Lost Control“ von Joy Division. Wenn ich jetzt die anderen Titel der CD recherchieren würde, käme wahrscheinlich raus, daß ich die auch alle kenne. Gut gemacht, Schrotti Star Orchester, denn covern ist wirklich Scheiße! Wer auf obskure Interpretationen vermeintlich bekannter Hits steht, wird hiermit sehr gut bedient. Für andere dürften die Kinderzimmer-Sounds des Orchesters auf Dauer ein wenig unterkomplex sein.

Schrotti Star Orchester: Covern ist Scheiße
CD (2022)
Höpen Media

Heavy Alternative Doom versprach mir der Waschzettel, der dem Album „Tempest“ der Leipziger Juke Cove beilag. Und ja, das stimmt. Das Trio in klassischer Besetzung kennt sich im Metier aus. Sehr viel mehr gibt es gar nicht darüber zu sagen; die Musiker wissen ihre Instrumente zu bedienen, der Gesang ist ordentlich verhallt und angenehm zurückhaltend in den ziemlich druckvollen Gesamtsound eingebettet, die acht Songs machen sowohl Stonern als auch Fans von Black Sabbath Freude. Juke Cove wäre die perfekte Vorband von Kadavar und verdienen mindestens genausoviel Aufmerksamkeit.

Juke Cove: Tempest
LP, CD, Digital (2024)
Interstellar Smoke Records

Und jetzt zu etwas völlig anderem. Und das ist mal keine billige Überleitung. Sowas wie auf „Blodager“ von Bissesvinet höre ich tatsächlich ziemlich selten und ich war von diesem Brocken nicht wenig überrascht. Bissesvinet setzt sich zusammen aus dem dänischen Singer/Songwriter Bisse und der ebenfalls in Dänemark heimischen Rockband Svin. Zusammen geben sie sich ausschließlich den dunklen Themen des Lebens hin: Zorn, Angst, Wut, Neid, Lust, Hass und Tod. Im Grunde gibt die Band den Rahmen vor und Bisse reklamiert darüber seine düsteren Texte, mal gesungen, mal gesprochen, mal gebrüllt – auf Dänisch! Die Band legt einen Teppich aus Blut, Dreck und Pisse darunter, kann sowohl leise als auch laut und kommt trotzdem hin und wieder mit wunderbaren Melodien um die Ecke. Das ist wirklich eine sehr ungewöhnliche Mischung und erschließt sich nur im Ganzen, nicht in Häppchen. In diesen Sog muß man sich reinziehen lassen wollen. Daß das nicht wirklich massenkompatibel ist, beweisen die zwei- bis dreistelligen Klickzahlen dieses Albums auf einem bekannten Videoportal. Aber das heißt ja bekanntlich gar nichts! „Blodager“ ist für den sehr aufgeschlossenen Hörer abseitiger, aber nicht abstoßender Musik eine Fundgrube.

Bissesvinet: Blodager
LP, Digital (2024)
Selbstverlag über Creative Eclipse