Von Matthias Bosenick (02.10.2022)
„Dies ist kein Asterix-Album!“, steht extra auf dem Cover des neuen neuen Abenteuers von Herrn Hase, das nämlich in Asterix‘ Dorf spielt. In „Beim Teutates!“ deckt Lewis Trondheim so einige Untiefen der frankobelgischen Comicserie auf, kommentiert manche Eigenheiten und bettet sein Duo Herr Hase und Richard, der gelbe Kater, in ein komplexes Abenteuer ein, in dem der bretonische Gott Teutates hinter das Geheimnis des Zaubertranks kommen will und die Geschichten von Albert Uderzo und René Goscinny plötzlich mit der Realität konfrontiert werden. Das Buch funktioniert glücklicherweise auch, wenn man Trondheims Serie nicht kennt. Der grob und viel zeichnende Franzose nähert sich den Unbeugsamen gleichsam respektvoll und respektlos, die Lektüre macht Spaß. Und ist besser gelungen als vieles von dem, was Didier Conrad und Jean-Yves Ferri im Rahmen der Hauptreihe präsentieren – vielleicht sollte man analog zu Lucky Luke und vor allem Spirou & Fantasio (für die Trondheim auch schon aktiv war) über eine Parallel-Reihe mit wechselnden Gastautoren nachdenken, dieses wäre ein schöner Auftakt.
Asterix sieht aus wie ein Hase, aber das sehen nur er und der Lesende. Für alle anderen im Dorf ist er einfach Asterix, der plötzlich merkwürdige Sachen redet, der etwa findet, Obelix sei besser dargestellt als von Gérard Depardieu, der „OK“ sagt und „Finito“ und der irgendwas von Comics faselt. Der alsbald versucht, sich anzupassen, und durch das den Lesenden wie ihm selbst gleichsam bekannte Dorf herumirrt und auf die allen vertrauten Figuren mit den bekannten Eigenschaften trifft. Diese Figuren sehen bei Trondheim indes etwas anders aus, sie tragen Disney-artige Tiernasen; ansonsten sind sie eindeutig zu identifizieren. Die größte und schicksalsträchtigste Abweichung zu den Comics besteht für Herrn Hase darin, dass der Zaubertrank zwar übermenschliche Kräfte verleiht – dass diese aber nicht etwa dafür sorgen, dass die Römer durch die Luft fliegen und deren Sandalen auf dem Boden bleiben, sondern dass übelst Blut spritzt. Die Römer sterben, und darauf angesprochen, zuckt Obelix nur mit den Schultern: „Es ist Krieg.“
Parallel tritt jemand in persona in Erscheinung, der in den „Asterix“-Comics bislang nur ein Sprichwort war, wie auch Herr Hase feststellt: Teutates kommt auf die Erde, um mit Mirakulix den Zaubertrank zu verfeinern, weil er hörte, dass die Römer ihrerseits Hilfe von ihrem Gott Jupiter bekommen und er das unfair findet. Bis plötzlich Richard, der gelbe Kater, ein Freund Herrn Hases, in der Gestalt des Barden Troubadix im Dorf erscheint und seinem Freund sämtliche Hintergründe erklärt. Und bis Mitternacht ein Komplott verhindern muss, das bis in die reale Welt reicht.
Es macht Spaß, Herrn Hase durch Asterix‘ Dorf zu begleiten und sich mit Klischees und Running Gags auseinanderzusetzen. Dabei entlarvt Trondheim einige und bedient andere; man könnte ihm darin vorwerfen, keine konkrete Haltung einzunehmen, aber hey, „Asterix“ ist eine lustige Serie, über die man auch unironisch lachen darf. Trondheim gelingt es, seine Pointen schlüssig vorzubereiten und auf sie zuzugreifen, das kann er besser als oftmals Ferri und Didier. Dabei bedient er zwar einen groberen Humor, aber Herr Hase und Richard sind eben zwei Haudraufs, das passt schon. Ebenso grob ist Trondheims Zeichenstil, der nicht der klassischen frankobelgischen beinahe realistischen Funny-Schule folgt, sondern im Vergleich amateurhafter wirkt, den Trondheim indes seit über 30 Jahren perfektioniert hat. Auch das passt also schon. Interessant ist der Kniff, dass aufgrund der von Richard aufgedeckten Hintergründe „die Realität“ ins Asterix-Dorf einbricht – und bei dieser handelt es sich um eine, in der Hasen und Kater die Hauptfiguren sind.
Man kann sich auch einfach ohne Vorkenntnisse „Beim Teutates!“ zulegen. Es handelt sich dabei um den sechsten Band der Serie „Die neuen Abenteuer von Herrn Hase“, die sich nach 15 Jahren Pause an „Die erstaunlichen Abenteuer von Herrn Hase“ anschließt. Wie es sich gehört, bekommt man die erste Serie in zwei Verlagen, Carlsen (dort als „Herrn Hases haarsträubende Abenteuer“) und Reprodukt, mit voneinander und von der Originalserie abweichender Nummerierung, lediglich die neue Serie erscheint bei Reprodukt in der korrekten Reihenfolge. Zudem sind einige der ganz alten Bücher gar nicht auf Deutsch erschienen und beginnt die Erstreihe auf Französisch erst ab dem vierten Band an zu zählen, und zwar mit der Nummer 0. Der Ausflug in die Bretagne zur Römerzeit stellt in diesem Universum indes keine so große Besonderheit dar: Schon immer lässt Trondheim Herrn Hase Abenteuer in anderen Gefilden erleben, etwa bei Rittern oder im Wilden Westen.
„Beim Teutates!“ macht nun sogar mehr Spaß als etwa „Der Greif“, der jüngste offizielle Asterix-Band. Im Regal macht er sich gut neben „Lucky Luke sattelt um“ von Mawil – oder „Panik im Atlantik“, der Geschichte, die Trondheim 2010 für Spirou & Fantasio anfertigte. Erstaunlich genug überdies, dass diese „Parodix“ (so der Sticker) überhaupt möglich war: Gegen „Falsches Spiel mit Alcolix“ von Jens Jeddeloh aus dem Jahr 1989 gingen die Autoren noch gerichtlich vor. Und wer jetzt anfangen möchte, Trondheim zu sammeln: Viel Spaß bei dem Versuch, durch die Chronologie von „Donjon“ durchzusteigen.