Von Matthias Bosenick (22.12.2023)
Zu dritt und ohne Gesang machen Lagern aus Fribourg in der Schweiz einen Indierock, wie er in den Neunzigern groovte, nur dass sie ihn hier – nun – progressiv aufmöbeln. Auf dem Debütalbum „Motion“ geschehen Dinge, die so im Alternative-Bereich vor 30 Jahren nicht möglich waren (dafür andere, hier nicht mit drin sind nämlich verzerrte Heavyness und noisige Zerstörung): sprunghafte Verschachtelungen, filigrane Breaks, dudelfreie postrockartige Chillout-Passagen, abrupte funky Eruptionen. Das Trio musiziert dergestalt abwechslungsreich und packend, dass man den Gesang gar nicht vermisst.
Und wie geil die drei sind. So ein fettes Schlagzeug, wenn die Mucke losbricht, drischt Simon Prongué auf die Felle, als gelte es, etwas Unliebsames zu zerstören, und wenn die Musik zurückfährt, hält sich auch Prongué bedeckt, unterlässt aber das Grooven nicht. Das übernimmt auch Téo Lagares am Bass, auf eine Weise, die das Instrument bisweilen in eine Gitarrenrichtung bewegt. Außerdem streut der Mann auch Keyboardsounds ein. Die Gitarre dazu bedient Pablo Lagares, und man kann davon ausgehen, dass es sich bei den beiden mit diesem Nachnamen um Brüder handelt.
Die Indierock-Passagen mit dem Neunziger-Flair fordern zum Mithüpfen auf, sofern man sich nicht gleich in einen Moshpit begibt, irgendwo zwischen Pixies und Rage Against The Machine, mit deren Effektivität, aber ohne deren Härte. Zu „Brut“ möchte man brutal pogen, beispielsweise. Und dann unterbrechen Lagern ihre eigenen Stücke mit chilligen Sequenzen, spielen eine Art Postrock, werden sanft und sorgen dann auch noch dafür, dass beide Extreme auf diesem Album wie Brüder zusammenpassen. Manchmal, wie in „Topaze“, schieben sie auch noch den Funk ein, und auch das passt wie Faust auf Eimer. In dieser Vielseitigkeit entsprechen sie möglicherweise ungefähr Motorpsycho, an den discotanzbaren Stellen !!!. Die Stimmung ist dabei energetisch, nicht aggressiv und schon gar nicht melancholisch oder so etwas, nicht einmal in den reduzierten Passagen.
Seit 2017 existiert Lagern, zunächst als Duo, und kurioserweise stieß der angenommene Bruder als letztes hinzu, nämlich Bassist Téo Lagares. Die drei sind auch anderweitig aktiv, Pablo Lagares etwa bei der Djent-Deathcore-Band AOTB, Simon Prongué trommelt bei den Mathcore-Noiserockern Weebee Weebee und die Info listet noch eine Band namens Jetzt auf, die äußerst schwer zu recherchieren ist und mit Sicherheit nichts mit Jetzt! zu tun hat, der Band aus Bad Salzuflen, mit der Frank Spilker in den Achtzigern musikalisch loslegte. Mit Lagern sind die drei seit sechs Jahren aktiv und veröffentlichen erst jetzt ihr Debüt. Das spricht für eine lange Gärzeit, die man der Musik anhört: „Motion“ ist reif. Zu haben als Name your price auf Bandcamp sowie auf LP.