Von Matthias Bosenick (25.11.2012)
Der Herr Krüger ist einfach ein großartiger Arrangeur. Hier eine Akustikgitarrenmelodie nebenbei, dort ein wiederkehrendes E-Gitarrenthema, hüben percussive Einsprengsel, drüben eine Zweitstimme oder ein Klavier. Sein neues Album „Der Masterplan“ beleuchtet ein Thema von verschiedenen Seiten: Eskapismus. Das Verträumte trägt Krüger auch mit seiner Rockmusik; so fügen sich Form und Inhalt perfekt zusammen und ergeben eine konstante gemeinsame Stimmung. Das wiederum kann den Nachteil haben, dass man die einzelnen Stücke nur schwer voneinander unterscheiden kann, weil das ganze Album eher ein zusammengehörendes Stück ist.
„Wie kann ich unbemerkt verschwinden“ lautete bereits der Titel des Vorgängeralbums vor drei Jahren. Damals noch eine Frage, heute hat Krüger laut Titel den „Masterplan“, doch wenn man sich die Texte anhört, ist auch der Masterplan noch eher ein Wunsch als die Maßnahme. Allenthalben Flucht: „ich möchte nie wieder / auf den nackten Boden / der Tatsachen zurück“, „ich bin hier / aber eigentlich bin ich ganz woanders“, „ich möchte am liebsten weglaufen / egal wohin“, „wir wollen zu den Orten / an denen wir noch nicht waren“. Dazu kommt die Angst, dem Fluchtimpuls tatsächlich nachzugehen: „unsere Träume werden niemals etwas anderes sein als Seifenblasen“. Zwischendurch erbittet er Hilfe: „fang mich auf wenn ich falle / bevor ich auf den Boden knalle“ und empfindet auch mal gar so etwas wie eine Richtung: „ich folge nur meinem Instinkt / ich hör in mir / eine Melodie / und folge ihr einfach blind“. Und Erlösung, am Schluss: „es ist noch gar nicht lange her / da haben wir noch geträumt / und so wie jetzt / müsste es immer sein“.
Mit diesem Album entfernt sich Krüger noch weiter von seinen spaßigen Ursprüngen. Dabei bewies er immer wieder mal, wie sehr er den anspruchsvollen Spaß beherrscht, lässt ihn aber auf „Der Masterplan“ vollkommen außen vor. Hier herrscht Melancholie, Sehnsucht, der Wunsch nach einem anderen Leben, einem besseren Leben. Das ist eine sehr spezielle Stimmung, sehr herbstlich, und sehr schwer zu ertragen, wenn man als Hörer gerade emotional ganz woanders ist, so gut und kohärent transportiert er sie. Es fehlen insgesamt aber die euphorischen Elemente, die das Werk universeller machen würden. Wenn das letzte Stück „Abendrot“ indes die Richtung fürs nächste Album vorgibt, besteht Hoffnung, denn genau diese vermittelt er darin.
Auf hohem Niveau gleichsam filigrane wie satte Rockmusik komponieren, das kann Krüger, und sie nahezu allein einspielen auch. Es macht Spaß, die Gästeliste zu lesen, mit Müller, Fritz Aly und weiteren. Live-Gitarrist Heinrich von Kaltmiete hat die Band leider verlassen, aber Olaf Ungeheuer und Klotz X sind noch dabei. Man darf sich auf die Auftritte freuen.