Von Matthias Bosenick (03.04.2023)
Dieses Australische Quintett will mit „The Great Acceleration“ dringend dem modernen Progrock zugehören und tut alles dafür, in diese Schublade auch hineinzupassen. Seine Rockmusik ist verschachtelt, vielschichtig, polyrhythmisch, dynamisch, dicht. Im Umkehrschluss bedeutet es indes auch, dass die Tracks so komplex sind, dass man die Übergänge zwischen ihnen nicht ausmacht und diese Tracks auch nicht im Ohr behalten kann. Vorneweg hat man sich mit der sehr hohen und gequäkten, eher im Emocore erwarteten und auf Dauer leider ziemlich unerträglichen Stimme auseinanderzusetzen, die vielleicht an Geddy Lee erinnern mag, aber auch an Steve Hogarth, dann wären schon mal Rush und Marillion abgehakt. Nur passt diese Stimme nicht immer zur Musik und drängt sich in ihrer Frequenz zu sehr in den Vordergrund. Gegen Ende des Albums schlägt der Anstrich plötzlich in Richtung Death Metal um, da growlt, brüllt der Sänger aus heiterem Himmel, und da fügt sich alles zusammen, das kommt richtig gut und stellt Unterschied und Mehrwert dieses Albums dar.
Musikalisch ist an dem Quintett nicht zu rütteln, die Jungs können was, ordentlich was, und empfehlen sich in der modernen Progszene. Nur ist diese bereits mehr als angefüllt mir Bands und Musikern, die irgendwie komplexe Songs daherfrickeln, dass man die Unterschiede schon sehr suchen muss, um bei Kodiak Empire abseits von Genrezwängen überhaupt zuzugreifen. Für die reine Neugier reicht es nicht aus, Standards zusammenzufügen, inklusive Keyboards und Mathrock-Gefrickel, auch wenn man das noch so brillant hinbekommt. Ein Ausbruch wie im finalen Track „Marcel“ lässt da endlich aufhorchen, und dann scheint das Album auch noch mittendrin einfach abzubrechen, auch da ist man plötzlich aufmerksam. Davon mehr und von der üblichen Gesangsstimme dafür umso weniger täte der Band gut.
„The Great Acceleration“ ist bereits das zweite Album der Australier. 2016 veröffentlichten sie in Eigenregie das Album „Silent Bodies“, das das Label Bird’s Robe später offiziell herausbrachte, und 2015 ihre Debüt-EP „Urashima“. Die Band besteht aus Bryce Carleton, Josh Engel, Joseph Rabjohns, Benjamin Shannon und Jacob Warren. Mit ihrer Virtuosität lassen sie aufhorchen, mehr Unerwartetes und Eigenes wäre in den Songs aber wünschenswert. So ist es ausnehmend anspruchsvolles Gefrickel, aber ohne konkrete Stimmung, mehr Leistungsschau als emotional mitreißend.