Von Matthias
Bosenick (08.01.2020)
Hollywood versucht sich mit „Knives
Out“ an einer britischhumorigen Agatha-Christie-Kriminalgeschichte
mit Starbesetzung. Das Ergebnis ist trotz Überlänge turbulent und
kurzweilig, aber bei Weitem nicht so gelungen wie und auch viel
amerikanischer, als die Macher wohl glauben. Solide Unterhaltung zum
Mitermitteln mit diversen überraschenden Wendungen.
Der Auftakt ist vielversprechend: Nach dem merkwürdigen Suizid eines
stinkreichen Krimischriftstellers an dessen 85. Geburtstag gerät die
Feiergesellschaft, die überwiegend aus der zerstrittenen Familie
besteht, ins Gebet der polizeilichen Ermittler, die von einem anonym
rekrutierten weltberühmten Privatdetektiv unterstützt werden.
Selbstredend kommt heraus, dass beinahe jeder der Anwesenden ein
Motiv hatte: der weinerliche Sohn, der eingeschränkt das
Verlagsimperium leiten sollte, die selbstverliebte Witwe eines
Sohnes, die ein Kosmetikunternehmen leitet und die das College ihrer
Tochter nicht bezahlen kann, die rauhbeinige Tochter und deren Gatte
sowie deren enterbter aufmüpfiger Sohn – und vielleicht auch die
südamerikanische Pflegekraft, an die sich der Schnüffler bald
heftet.
Jede Figur bekommt in einer Verhörsituation den
Raum, dem Zuschauer ihre Marotten darzustellen, und man feiert die
Schauspieler wie Jamie Lee Curtis, Don Johnson, Daniel Craig und
Chris Evans für ihre überzeugende Darstellung. Doch behält
Regisseur Rian Johnson deren Verschrobenheit nicht bei, sondern
verliert sie zugunsten der durchaus fesselnden Whodunit-Nacherzählung
inklusive angenehmer Rechtsbashing-Gesellschaftsabrechnung aus den
Augen. Insbesondere der Moment der Testamentseröffnung lässt die
Familienmitglieder in ihrer Individualität verblassen; sie verlieren
bis zum klassischen Showdown im Salon ihren Biss. Auch der Detektiv,
der noch zu Beginn mit der angeschlagenen Klaviertaste Gespräche
leitet, verliert das Dominante und entwickelt sich eher zu einem
pseudoschusseligen Columbo als etwa zu einem widerhakigen Dale
Cooper. Dennoch hat er die durchgehend beste Performance, zusammen
mit dem Großmaul Ransom und der Pflegehilfe Marta.
Sei’s
drum, die Geschichte lehnt sich lockerst an klassische
Agatha-Christie-Krimiplots an. Doch sind hier die hinter den Kulissen
parallel zu den Ermittlungen gesponnenen Intrigen ausgespart, die
eine Poirot-Geschichte zumindest für den Leser kniffliger machen als
für den Detektiv, der ja nicht alles wissen kann und doch viel mehr
weiß. Nicht nur das macht „Knives Out“ trotz einer optischen
Mischung aus weltweiter Neuzeit (Technik) und englischem Vintage
(Kleidung und, Zitat aus dem Film, „Cluedo-Brett“-Haus) zu einem
reichlich amerikanischen Film.
Das gilt auch für den
Humor, der erst gegen Ende etwas an Fahrt aufnimmt und bis dahin
lediglich die Erwartungen erfüllt, die man an die Figuren hat. Der
Gag mit dem Erbrechen etwa wird bis zum Erbrechen strapaziert, Zitate
finden sich eher an amerikanische Bewegtformate wie „Is was, Doc?“
oder „Game Of Thrones“ angelehnt als an britische. Da liegt mehr
Sogkraft in der Geschichte, die so manche Wendung nimmt und geschickt
mit Verdacht und viel zu frühem Geständnis spielt. Darin liegt die
größte Stärke des Films, wenngleich wechselnde Verdachtsmomente
ausbleiben und es eher für eine der Figuren darum geht, nicht in den
Fokus zu rutschen.